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#164: Die schönsten Märchen von Wilhelm Hauff (Hörbuch zum Einschlafen)

Shownotes

Die schönsten Märchen von Wilhelm Hauff zum Einschlafen, Träumen und Entspannen. Eine Hörbuch-Compilation (Zusammenstellung) für Kinder und Erwachsene. 📚🎙️

INHALT 00:00 Die Errettung Fatmes 45:26:07 Der kleine Muck 1:35:07 Kalif Storch 2:05:51 Die abgehauene Hand

✍🏻 Du hast eine Frage, Lob oder Kritik? Dann besuch mich doch bei Instagram: https://www.instagram.com/tschennleindner/ Oder schreib mir an: jan-lindner[at]gmx.net

🎧 Dieses Hörbuch ist zuerst auf dem YouTube-Kanal "Hörbücher zum Einschlafen" erschienen, auf dem Du viele weitere Geschichten, Literaturklassiker und Märchen als Hörspiel oder Hörbuch findest: https://www.youtube.com/@einschlafgeschichten

🌍 Jan im Internet & mehrstündige Hörbücher: https://linktr.ee/janlindner

Viel Spaß und eine geruhsame Nacht! ✨

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Transkript anzeigen

00:00:00: Die Errettung

00:00:01: Fatmes von Wilhelm

00:00:04: [Musik]

00:00:08: Hauf. Mein Bruder Mustafa und meine

00:00:11: Schwester Fatme waren beinahe in

00:00:13: gleichem Alter. Jener hatte höchstens

00:00:16: zwei Jahre voraus. Sie liebten einander

00:00:19: innig und trugen vereint alles bei, was

00:00:21: unserem kränklichen Vater die Last

00:00:23: seines Alters erleichtern konnte. An

00:00:26: Fatmes 16. Am Geburtstage veranstaltete

00:00:29: der Bruder ein Fest. Er ließ alle ihre

00:00:32: Gespielen einladen, setzte ihnen in dem

00:00:35: Garten des Vaters ausgesuchte Speisen

00:00:37: vor und als es Abend wurde, lud er sie

00:00:40: ein auf einer Barke, die er gemietet und

00:00:43: festlich geschmückt hatte, ein wenig

00:00:45: hinaus in die See zu

00:00:47: fahren. Fatm und ihre Gespielinen

00:00:50: willigten mit Freuden ein, denn der

00:00:52: Abend war schön und die Stadt gewährte

00:00:55: besonders abends von dem Meere aus

00:00:58: betrachtet einen herrlichen Anblick.

00:01:01: Den Mädchen aber gefiel es so gut auf

00:01:03: der Barke, daß sie meinen Bruder

00:01:05: bewogen, immer weiter in die See

00:01:08: hinauszufahren. Mustafa gab aber ungern

00:01:11: nach, weil sich vor einigen Tagen ein

00:01:13: Corsar hatte sehen lassen. Nicht weit

00:01:16: von der Stadt zieht sich ein Vorgebirge

00:01:18: in das Meer. Dorthin wollten noch die

00:01:21: Mädchen, um von da die Sonne in das Meer

00:01:24: sinken zu sehen. Als sie um das

00:01:27: Vorgebirg

00:01:28: herumruderten, sahen sie in geringer

00:01:31: Entfernung eine Barke, die mit

00:01:34: Bewaffneten besetzt war. Nichts Gutes

00:01:37: ahnend befahl mein Bruder den Ruder sein

00:01:39: Schiff zu drehen und dem Lande

00:01:42: zuzurudern. Wirklich schien sich auch

00:01:44: seine Besorgnis zu bestätigen, denn jene

00:01:47: Barke kam jener meines Bruders schnell

00:01:50: nach. Überfing sieh, da sie mehr Ruder

00:01:53: hatte und hielt sich immer zwischen dem

00:01:56: Land und unserer Bake. Die Mädchen aber,

00:01:59: als sie die Gefahr erkannten, in der sie

00:02:01: schwebten, sprangen auf und schrienen

00:02:04: und klagten. Umsonst suchte sie Mustafa

00:02:08: zu beruhigen. Umsonstellt er ihnen vor,

00:02:11: ruhig zu bleiben, weil sie durch ihr hin

00:02:13: und her rennen, die Barke in Gefahr

00:02:16: bringen,

00:02:18: umzuschlagen. Es half nichts. Und da sie

00:02:20: sich endlich bei Annäherung des anderen

00:02:22: Bootes alle auf die hintere Seite der

00:02:25: Barke

00:02:26: stürzten, schlug diese um. Indessen aber

00:02:30: hatte man vom Land aus die Bewegungen

00:02:32: des fremden Bootes ausgemacht und da man

00:02:35: schon seit einiger Zeit Besorgnisse

00:02:37: wegen Karen hegte, hatte dieses Boot

00:02:40: Verdacht erregt und mehrere Barken

00:02:42: stießen vom Lande, um den Unsigen

00:02:46: beizustehen. Aber sie kamen nur noch zur

00:02:48: rechten Zeit.

00:02:50: um die Untersinkenden

00:02:52: aufzunehmen. In der Verwirrung war das

00:02:55: feindliche Boot entwischt. Auf den

00:02:57: beiden Barken aber, welche die

00:02:59: Geretteten aufgenommen hatten, war man

00:03:02: ungewiss, ob alle gerettet sein. Man

00:03:05: näherte sich gegenseitig und ach, es

00:03:09: fand sich, dass meine Schwester und eine

00:03:12: ihre Gespielen fehlte. Zugleich

00:03:15: entdeckte man aber einen Fremden in

00:03:16: einer der Barken, den niemand kannte.

00:03:19: Auf die Drohungen Mustafas gestand er,

00:03:22: daß er zu dem feindlichen Schiff, das

00:03:24: zwei Meilen Ostwärts vor Anker liege,

00:03:26: gehöre und dass ihn seine Gefährten auf

00:03:29: ihrer eiligen Flucht im Stich gelassen

00:03:30: haben, indem er im Begriff gewesen sei,

00:03:33: die Mädchen auffischen zu helfen. Auch

00:03:36: sagte er aus, dass er gesehen habe, wie

00:03:39: man zwei derselben in das Schiff

00:03:41: gezogen. Der Schmerz meines alten Vaters

00:03:44: war grenzenlos, aber auch Mustafa war

00:03:47: bis zum Tod betrübt, denn nicht nur,

00:03:49: dass seine geliebte Schwester verloren

00:03:51: war und dass er sich anklagte, an ihrem

00:03:53: Unglück Schuld zu sein. Jene Freundin

00:03:57: Fatmes, die ihr Unglück teilte, war von

00:04:00: ihren Eltern ihm zur Gattin zugesagt

00:04:03: gewesen. Und nur unserem Vater hatte er

00:04:07: es noch nicht zu gestehen gewagt, weil

00:04:10: ihre Eltern arm und von geringer Abkunft

00:04:13: waren. Mein Vater aber war ein strenger

00:04:15: Mann. Als seine Schmerz sich ein wenig

00:04:18: gelegt hatte, ließ er Mustafa vor sich

00:04:20: kommen und sprach zu ihm: "Deine Torheit

00:04:24: hat mir den Trost meines Alters und die

00:04:27: Freude meiner Augen

00:04:30: geraubt. Geh hin, ich verbanne dich auf

00:04:34: ewig von meinem Angesicht. Ich fluche

00:04:39: dir und deinen

00:04:41: Nachkommen und nur wenn du mir Fatme

00:04:46: wiederbringst, soll dein Haupt rein sein

00:04:50: von dem Fluche des

00:04:53: Vaters. Dies hatte mein armer Bruder

00:04:55: nicht erwartet. Schon vorher hatte er

00:04:58: sich entschlossen gehabt, seine

00:04:59: Schwester und ihre Freundin aufzusuchen,

00:05:01: und wollte sich nur noch den Segen des

00:05:03: Vaters dazu erbitten, jetzt schickte er

00:05:06: ihn mit dem Fluch beladen in die Welt,

00:05:08: aber hatte ihn jener Jammer vorher

00:05:11: gebeugt, so stellte jetzt die Fülle des

00:05:14: Unglücks, dass er nicht verdient hatte,

00:05:16: seinen Mut.

00:05:17: Er ging zu dem gefangenen Seeräuber und

00:05:20: befragte ihn, wohin die Fahrt seines

00:05:21: Schiffes ginge. Und er fuhr, daß sie

00:05:24: Sklavenhandel treiben und gewöhnlich in

00:05:27: Balsor großen Markt

00:05:29: hielten. Als er wieder nach Hause kam,

00:05:32: um sich zur Reise anzuschicken, schien

00:05:34: sich der Zorn des Vaters ein wenig

00:05:36: gelegt zu haben, denn er sandte ihm

00:05:39: einen Beutel mit Gold zur Unterstützung

00:05:42: auf der

00:05:43: Reise. Mustafer aber nahm weinend von

00:05:46: den Eltern Zidens, so hieß seine

00:05:49: geraubte Braut, Abschied und machte sich

00:05:52: auf den Weg nach Balsora.

00:05:55: Mustafa machte die Reise zu Land, weil

00:05:57: von unserer kleinen Stadt aus nicht

00:05:59: gerade ein Schiff nach Balsora ging. Er

00:06:02: mußte daer sehr starke Tagreisen machen,

00:06:05: um nicht zu lange nach den Seeräubern

00:06:07: nach Balsora zu kommen. Doch da er ein

00:06:09: gutes Ross und kein Gepäck hatte, konnte

00:06:12: er hoffen, diese Stadt am Ende des

00:06:14: sechsten Tages zu

00:06:15: erreichen. Aber am Abend des vierten

00:06:18: Tages, als er ganz allein seines Weges

00:06:20: ritt, fielen ihn plötzlich drei Männer

00:06:23: an, da er merkte, dass sie gut bewaffnet

00:06:26: und stark seien und dass es mehr auf

00:06:28: sein Geld und sein Ross als auf sein

00:06:30: Leben abgesehen war, so rief er ihnen

00:06:33: zu, dass er sich ihnen ergeben wolle.

00:06:36: Sie stiegen von ihren Pferden ab und

00:06:38: banden ihm die Füße unter dem Bauch

00:06:39: seines Tieres zusammen. Ihn selbst aber

00:06:42: nahmen sie in die Mitte und trabten,

00:06:45: indem einer den Zügel seines Pferdes

00:06:47: ergriff, schnell mit ihm davon, ohne

00:06:50: jedoch ein Wort zu

00:06:52: sprechen. Mustafa gab sich einer dumpfen

00:06:55: Verzweiflung hin. Der Fluch seines

00:06:57: Vaters schien schon jetzt an dem

00:06:59: Unglücklichen in Erfüllung zu gehen. Und

00:07:02: wie konnte er hoffen, seine Schwester

00:07:04: und Zoraiden retten zu können, wenn er

00:07:07: aller Mittelberaubt nur sein ärmliches

00:07:09: Leben zu ihrer Befreiung aufwenden

00:07:12: könnte. Mustafa und seine stummen

00:07:15: Begleiter mochten wohl eine Stunde

00:07:16: geritten sein, als sie in ein kleines

00:07:19: Seitental

00:07:20: einbogen. Das Tälchen war von hohen

00:07:22: Bäumen eingefasst. Ein weicher

00:07:25: dunkelgrüner Rasen, einen Bach, der

00:07:28: schnell durch seine Mitte hinrollte,

00:07:30: luden zur Ruhe ein. Wirklich sah er auch

00:07:33: fünfzeh bis 20 Zelte dort aufschlagen.

00:07:36: An den Pflöcken der Zelte waren Kamele

00:07:38: und schöne Pferde angebunden. Aus einem

00:07:41: der Zelte hervor tönte die lustige Weise

00:07:43: einer Ziter und zweier schöner

00:07:46: Männerstimmen. Meinem Bruder schien es

00:07:49: als ob Leute, die ein so fröhliches

00:07:51: Lagerplätzchen sich erwählt hatten,

00:07:53: nichts Böses gegen ihn im Sinn haben

00:07:55: könnten. Und er folgte also ohne

00:07:57: Bangigkeit dem Ruf seiner Führer, die

00:07:59: ihm, als sie seine Bande gelöst hatten,

00:08:02: ihm winkten,

00:08:04: abzusteigen. Man führte ihn in ein Zelt,

00:08:07: das größer als die Übrigen und im Innern

00:08:10: hübsch fast zierlich aufgeputzt war.

00:08:13: Prächtige goldgestickte Polster,

00:08:15: gewirkte Fußteppiche, übergoldete

00:08:18: Rauchpfannen hätten anderswo Reichtum

00:08:21: und Wohlleben verraten. Hier schienen

00:08:23: sie nur kühner Raub.

00:08:26: Auf einem der Polster saß ein alter

00:08:29: kleiner Mann. Sein Gesicht war hässlich,

00:08:32: seine Haut schwarzbraun und glänzend und

00:08:35: ein widriger Zug von tückischer

00:08:37: Schlauheit um Augen und Mund machte

00:08:39: seinen Anblick verhasst.

00:08:42: Obgleich sich dieser Mann einiges

00:08:43: Ansehen zu geben suchte, so merkte doch

00:08:46: Mustafa bald, daß nicht für ihn das Zelt

00:08:49: so reich geschmückt sei, und die

00:08:51: Unterredung seiner Führer schien seine

00:08:53: Bemerkung zu

00:08:55: bestätigen. "Wo ist der Starke?",

00:08:57: fragten sie den Kleinen. "Er ist auf der

00:09:00: kleinen Jagd", antwortete jener. "Aber

00:09:04: er hat mir aufgetragen, seine Stelle zu

00:09:07: versehen." "Das hat er nicht gescheit

00:09:09: gemacht", entgegnete einer der Räuber.

00:09:12: "Denn es muss sich bald entscheiden, ob

00:09:14: dieser Hund sterben oder zahlen soll,

00:09:17: und das weiß der Starke besser als du."

00:09:20: Der kleine Mann erhob sich im Gefühl

00:09:22: seiner Würde, streckte sich lang aus, um

00:09:24: mit der Spitze seiner Hand das Ohr

00:09:26: seines Gegners zu erreichen, denn er

00:09:29: schien Lust zu haben, sich durch einen

00:09:31: Schlag zu rächen. Als er aber sah, dass

00:09:33: seine Bemühung fruchtlos sei, fing er an

00:09:36: zu schimpfen, und wahrlich die anderen

00:09:39: blieben ihm nichts schuldig, dass das

00:09:41: Zelt von ihrem Streit ertröhnte.

00:09:44: Da tat sich auf einmal die Türe des

00:09:46: Zeltes auf und hereint trat ein hoher

00:09:49: stattlicher Mann, jung schön wie ein

00:09:52: Perserprinz.

00:09:54: Seine Kleidung und seine Waffen waren

00:09:57: außer einem reich besetzten Dolch und

00:09:59: einem glänzenden Säbel gering und

00:10:02: einfach, aber sein ernstes Auge, sein

00:10:05: ganzer Anstand gebot Achtung, ohne

00:10:09: Furcht

00:10:10: einzuflößen. "Wer ist, der es wagt in

00:10:13: meinem Zelte Streit zu beginnen?", rief

00:10:16: er den Erschrockenen zu. Eine Zeit lang

00:10:18: herrschte tiefe Stille.

00:10:20: Endlich erzählte einer von denen, die

00:10:23: Musterfahr hergebracht hatten, wie es

00:10:25: gegangen sei. Da schien sich das Gesicht

00:10:28: des Starken, wie sie ihn nannten, vor

00:10:30: Zorn zu röten. "Wann hätte ich dich je

00:10:34: an meine Stelle gesetzt, Hassan?",

00:10:36: schrie er mit furchtbarer Stimme dem

00:10:38: Kleinen zu. Dieser zog sich vor Furcht

00:10:40: in sich selbst zusammen, dass er noch

00:10:42: viel kleiner aussah als zuvor und

00:10:45: schlich der Zeltüre zu.

00:10:47: Ein hinlänglicher Tritt des Starken

00:10:50: machte, daß er in einem großen

00:10:52: sonderbaren Sprung zur Zeltüre

00:10:55: hinausflog. Als der Kleine verschwunden

00:10:57: war, führten die drei Männer Mustafa vor

00:11:00: den Herren des Zeltes, der sich in

00:11:02: desess auf die Polster gelegt hatte.

00:11:04: "Hier bringen wir den, welchen du uns zu

00:11:07: fangen befohlen

00:11:09: hast." Jener blickte den Gefangenen

00:11:11: lange an und sprach so dann: "Bass von

00:11:16: Soliaika.

00:11:17: Dein eigenes Gewissen wird dir sagen,

00:11:21: warum du vor Orbasan

00:11:24: stehst. Als mein Bruder dies hörte, warf

00:11:27: er sich nieder vor jenem und antwortete:

00:11:30: "Oh Herr, du scheinst im Irrtum zu sein.

00:11:34: Ich bin ein armer

00:11:36: unglücklicher, aber nicht der Basser,

00:11:38: den du

00:11:39: suchst." Alle im Zelt waren über diese

00:11:42: Rede erstaunt. Der Herr des Zeltes aber

00:11:45: sprach: "Es kann dir wenig helfen, dich

00:11:48: zu

00:11:49: verstellen, denn ich will dir Leute

00:11:52: vorführen, die dich wohl

00:11:54: kennen." Er befahl Suleima

00:11:58: fortzuführen. Man brachte ein altes Weib

00:12:00: in das Zelt, das auf die Frage, ob sie

00:12:03: in meinem Bruder nicht den Basser von

00:12:04: Soliaika erkenne,

00:12:06: antwortete. Jawohl. Und sie schwöre es

00:12:09: beim Grab des Propheten. Es sei der

00:12:12: Basser und kein

00:12:14: anderer. Siehst du, erbärmlicher, wie

00:12:17: deine List zu Wasser geworden ist?

00:12:20: Begann zirnend der Stärke. Du bist mir

00:12:23: zu elend, als dass ich meinen guten

00:12:25: Dolch mit deinem Blut besudeln sollte.

00:12:28: Aber an den Schweif meines Rosses will

00:12:30: ich dich binden morgen, wenn die Sonne

00:12:32: aufgeht. Und durch die Wälder will ich

00:12:35: mit dir jagen, bis sie scheidet hinter

00:12:37: die Hügel von

00:12:39: Suliaika. Das sank meinen armen Bruder

00:12:41: der Mut. Das ist der Fluch meines harten

00:12:46: Vaters, der mich zum schmachvollen Tode

00:12:50: treibt, rief er weinend. Und auch du

00:12:53: bist

00:12:54: verloren, süße

00:12:57: Schwester. Auch du

00:13:01: zur Deine Verstellung hilft dir nichts,

00:13:04: sprach einer der Räuber, indem er ihm

00:13:06: die Hände auf den Rücken band. Mach,

00:13:09: dass du aus dem Zelt kommst, denn der

00:13:11: Starke beißt sich in die Lippen und

00:13:14: blickt nach seinem

00:13:15: Dolch. Wenn du noch eine Nacht leben

00:13:17: willst, so komm.

00:13:20: Als die Räuber gerade meinen Bruder aus

00:13:22: dem Zelt führen wollten, begegneten sie

00:13:25: drei andern, die einen Gefangenen vor

00:13:27: sich hintrieben. Sie traten mit ihm ein.

00:13:30: "Hier bringen wir den Basser, wie du uns

00:13:32: befohlen hast", sprachen sie und führten

00:13:36: den Gefangenen vor das Polster des

00:13:38: Starken. Als der Gefangene dorthin

00:13:40: geführt wurde, hatte mein Bruder

00:13:42: Gelegenheit, ihn zu betrachten, und dem

00:13:45: selbst fiel die Ähnlichkeit auf, die

00:13:48: dieser Mann mit ihm hatte.

00:13:50: Nur war er dunkler im Gesicht und hatte

00:13:52: einen schwerzeren Bart. Der Starke

00:13:56: schien sehr erstaunt über die

00:13:58: Erscheinung des zweiten Gefangenen. "Wer

00:14:00: von euch ist denn der Rechte?", sprach

00:14:03: er, indem er bald meinen Bruder bald den

00:14:05: anderen Mann ansah. "Wenn du den Basser

00:14:08: von Suliaika meinst?", antwortete in

00:14:10: stolzem Ton der Gefangene. "Der bin

00:14:14: ich." Der Starke sah ihn lange mit

00:14:16: seinem ernsten, furchtbaren Blick an.

00:14:19: Dann winkte er schweigend, den Basser

00:14:21: wegzuführen. Als dies geschehen war,

00:14:24: ging er auf meinen Bruder zu, zerschnitt

00:14:26: seine Bande mit dem Dolch und winkte

00:14:29: ihm, sich zu ihm aufs Polster zu setzen.

00:14:32: "Es tut mir leid, Fremdling", sagte er,

00:14:36: "dass ich dich für jenes Ungeheuer

00:14:38: hielt.

00:14:39: Schreibe es aber einer sonderbaren

00:14:41: Fügung des Himmels zu, die dich gerade

00:14:44: in der Stunde, welche dem Untergang

00:14:46: jenes Verruchten geweiht war, in die

00:14:48: Hände meiner Brüder führte.

00:14:51: Mein Bruder bat ihn um die einzige

00:14:53: Gunst, ihn gleich wieder weiterreisen zu

00:14:56: lassen, weil jeder Aufschub ihm

00:14:58: verderblich werden

00:15:00: könne. Der Stärke erkundigte sich nach

00:15:02: seinen eiligen Geschäften und als sie

00:15:05: Mustafa alles erzählt hatte, überredete

00:15:07: ihn jener diese Nacht in seinem Zelt zu

00:15:10: bleiben. Er und sein Ross werden der

00:15:12: Ruhe bedürfen. Den folgenden Tag aber

00:15:15: wolle er ihm einen Weg zeigen, der ihnen

00:15:17: anderthalb Tagen nach Belsora bringe.

00:15:20: Mein Bruder schlug ein, wurde trefflich

00:15:22: bewirtet und schlief sanft bis zum

00:15:25: Morgen in dem Zelt des

00:15:27: Räubers. Als er aufgewacht war, sah er

00:15:30: sich ganz allein im Zelt.

00:15:32: Vor dem Vorhang des Zeltes aber hörte er

00:15:35: mehrere Stimmen

00:15:37: zusammensprechen, die dem Herrn des

00:15:39: Zeltes und dem kleinen schwarzbraunen

00:15:42: Mann anzugehören schienen. Er lauschte

00:15:44: ein wenig und hörte zu seinem Schrecken,

00:15:48: dass der Kleine dringend den andern

00:15:51: aufforderte, den Fremden zu töten, weil

00:15:55: er, wenn er freigelassen würde, sie alle

00:15:57: verraten könnte.

00:16:00: Mustafa merkte gleich, daß der Kleine im

00:16:02: Kram sei, weil er Ursache war, dass er

00:16:04: gestern so übel behandelt wurde. Der

00:16:07: Starke schien sich einige Augenblicke zu

00:16:09: besinnen. "Nein", sprach er. "Er ist

00:16:13: mein Gastfreund und das Gastrecht ist

00:16:15: mir heilig. Auch sieht er mir nicht aus,

00:16:18: wie wenn er uns verraten

00:16:20: wollte." Als er so gesprochen, schlug er

00:16:23: den Vorhang zurück und trat

00:16:26: ein. "Friede sei mit dir, Mustafa.

00:16:29: sprach er. Laß uns den Morgentrunk

00:16:32: kosten und rüste dich dann zum

00:16:35: Aufbruch. Er reicht meinem Bruder einen

00:16:37: Becher Sorbet und als sie getrunken

00:16:40: hatten, zäumten sie die Pferde auf und

00:16:43: wahrlich, mit leichterem Herzen, als er

00:16:45: gekommen war, schwang sich Mustafa aufs

00:16:49: Pferd. Sie hatten bald die Zelte im

00:16:51: Rücken und schlugen dann einen breiten

00:16:53: Pfad ein, der in den Wald führte.

00:16:56: Der Starke erzählte meinem Bruder, daß

00:16:58: jener Bassar, den sie auf der Jagd

00:17:01: gefangen hätten, ihnen versprochen habe,

00:17:03: sie ungefährdet in seinem Gebiet zu

00:17:06: dulden. Vor einigen Wochen aber habe er

00:17:09: einen ihrer tapfersten Männer

00:17:11: aufgefangen und nach den schrecklichsten

00:17:13: Martern aufhängen lassen. Er habe ihm

00:17:16: nun lange auflauern lassen und heute

00:17:18: noch müsse ersterben.

00:17:21: Fahr wagte es nicht etwas dagegen

00:17:23: einzuwenden, denn er war froh, selbst

00:17:25: mit heiler Haut davon gekommen zu

00:17:27: sein. Am Ausgang des Waldes hielt der

00:17:30: Starke sein Pferd an, beschrieb meinem

00:17:32: Bruder den Weg, bot ihm die Hand zum

00:17:35: Abschied und sagte:

00:17:37: "Mustafa, du bist auf sonderbare Weise

00:17:40: der Gastfreund des Räubers Urbasan

00:17:43: geworden. Ich will dich nicht

00:17:44: auffordern, nicht zu verraten, was du

00:17:46: gesehen und gehört hast.

00:17:48: Du hast ungerechterweise Todesangst

00:17:51: ausgestanden und ich bin dir Vergütung

00:17:53: schuldig. Nimm diesen Dolch als Andenken

00:17:57: und so du Hilfe brauchst, so sende ihn

00:18:00: mir zu und ich will eilen dir

00:18:03: beizustehen. Diesen Beutel aber kannst

00:18:06: du vielleicht zu deiner Reise

00:18:08: brauchen. Mein Bruder dankte ihm für

00:18:11: seinen Edelmut. Er nahm den Dolch, den

00:18:14: Beutel aber schlug er aus. Doch Orbasan

00:18:17: drückte ihm noch einmal die Hand, ließ

00:18:20: den Beutel auf die Erde fallen und

00:18:23: sprengte mit Sturmeseile in den Wald.

00:18:26: Als Musterfa sah, daß er ihn doch nicht

00:18:28: mehr werde einholen können, stieg er ab,

00:18:30: um den Beutel

00:18:32: aufzuheben, und er schrak über die Größe

00:18:35: von seines Gastfreundes

00:18:37: Großmut, denn der Beutel enthielt eine

00:18:40: Menge

00:18:41: Goldes. Er dankte Allah für seine

00:18:44: Rettung, empfahl ihm den edlen Räuber in

00:18:48: seine

00:18:49: Gnade und zog dann heiteren Mutes weiter

00:18:52: auf seinem Wege nach Balsora.

00:18:56: Am Mittag siebenden Tages nach seiner

00:18:59: Abreise zog Mustafa in die Tore von

00:19:02: Balsora ein. Sobald er in einer

00:19:05: Karawanserei abgestiegen war, fragte er,

00:19:08: wann der Sklavenmarkt, der Alljährliche

00:19:11: gehalten werde, anfange, aber er hielt

00:19:14: die

00:19:14: Schreckensantwort, dass er zwei Tage zu

00:19:17: spät komme. Man bedauerte seine

00:19:19: Verspätung und erzählte ihm, dass er

00:19:21: viel verloren habe. Denn noch an dem

00:19:24: letzten Tage des Marktes seien zwei

00:19:26: Sklavinnen angekommen von so hoher

00:19:30: Schönheit, dass sie die Augen aller

00:19:32: Käufer auf sich gezogen hätten. Man habe

00:19:35: sich ordentlich um sie gerissen und

00:19:36: geschlagen und sie seien freilich auch

00:19:38: zu einem so hohen Preis verkauft worden,

00:19:41: dass sie nur ihr jetziger Herr nicht

00:19:43: habe scheuen können. Er erkundigte sich

00:19:46: näher nach diesen beiden und es blieb

00:19:48: ihm keinen Zweifel, dass es die

00:19:50: Unglücklichen seien, die er suche. Auch

00:19:53: erfuhr er, dass der Mann, der sie beide

00:19:54: gekauft habe, 40 Stunden von Balsora

00:19:58: wohne und Tiol Kos heiße. Ein vornehmer,

00:20:02: reicher, aber schon ältlicher Mann, der

00:20:05: früher Kapudan Bass des Großherrn war,

00:20:09: jetzt aber sich mit seinen gesammelten

00:20:10: Reichtümern zur Ruhe gesetzt habe.

00:20:13: Mustafa wollte von Anfang sich gleich

00:20:15: wieder zu Pferd setzen, um dem Tiolikos,

00:20:18: der kaum einen Tag Vorsprung haben

00:20:20: konnte, nachzueilen. Als er aber

00:20:22: bedachte, dass er als einziger Mann dem

00:20:24: mächtigen Reisenden doch nichts anhaben,

00:20:26: noch weniger seine Beute ihm abjagen

00:20:29: konnte, sann er auf einen anderen Plan

00:20:32: und hatte ihn noch bald

00:20:33: gefunden. Die Verwechslung mit dem

00:20:36: Wasser von Suliaika, die ihm beinahe so

00:20:38: gefährlich geworden wäre, brachte ihn

00:20:41: auf den Gedanken, unter diesem Namen in

00:20:44: das Haus des Tiolikos zu gehen und so

00:20:47: einen Versuch zur Rettung der beiden

00:20:49: unglücklichen Mädchen zu wagen. Er miete

00:20:52: daher einige Diener und Pferde, wobei

00:20:54: ihm Urbasahens Geld trefflich zu Statten

00:20:57: kam, schaffte sich und seinen Dienern

00:20:59: prächtige Kleider an und machte sich auf

00:21:01: den Weg nach dem Schlosse Tiolis.

00:21:05: Nach f Tagen war er in die Nähe dieses

00:21:07: Schlosses gekommen. Es lag in einer

00:21:09: schönen Ebene und war rings von hohen

00:21:11: Mauern umschlossen, die nur ganz wenig

00:21:14: von den Gebäuden überragt wurden. Als

00:21:17: Mustafa dort angekommen war, färbte er

00:21:20: Haare und Bart schwarz. Sein Gesicht

00:21:23: aber bestrich er mit dem Saft einer

00:21:26: Pflanze, die ihm eine bräunliche Farbe

00:21:29: gab, ganz wie sie jener Basser gehabt

00:21:31: hatte.

00:21:33: Er schickte hierauf einen seiner Diener

00:21:35: in das Schloss und ließ im Namen des

00:21:37: Basser von Zuliaika um ein Nachtlager

00:21:40: bitten. Der Diener kam bald wieder und

00:21:43: mit ihm vier schön gekleidete Sklaven,

00:21:47: die Mustafas Pferd am Zügel nahmen und

00:21:50: in den Schlosshof führten. Dort halfen

00:21:53: sie ihm selbst vom Pferd und vier andere

00:21:56: geleiteten ihn eine breite Marmortreppe

00:21:58: hinauf zu

00:22:00: Tioli. Dieser ein alter lustiger Geselle

00:22:04: empfing meinen Bruder Ehre bietig und

00:22:06: diesem das Beste, was ein Koch

00:22:08: zubereiten konnte,

00:22:09: aufsetzen. Nach Tisch brachte Mustafa

00:22:12: das Gespräch nach und nach auf die neuen

00:22:15: Sklavinnen und Tioli rühmte ihre

00:22:17: Schönheit und beklagte nur, dass sie

00:22:19: immer so traurig sein. Doch er glaubte,

00:22:22: dieses würde sich bald geben. Mein

00:22:25: Bruder war sehr vergnügt über diesen

00:22:27: Empfang und legte sich mit den schönsten

00:22:29: Hoffnungen zur Ruhe

00:22:31: nieder. Er mochte ungefähr eine Stunde

00:22:34: geschlafen haben, da weckte ihn der

00:22:36: Schein einer Lampe, der blendend auf

00:22:39: sein Auge fiel.

00:22:41: Als er sich aufrichtete, glaubte er noch

00:22:44: zu träumen, denn vor ihm stand jener

00:22:47: kleine schwarzbraune Kerl aus Obasahns

00:22:50: Zelt, eine Lampe in der Hand, sein

00:22:53: breites Maul zu einem widrigen Lächeln

00:22:56: verzogen. Mustafa zwickte sich in den

00:22:59: Arm, zupfte sich an der Nase, um sich zu

00:23:01: überzeugen, ob er denn wach, aber die

00:23:03: Erscheinung blieb wie zuvor. "Was willst

00:23:06: du an meinem Bette?",

00:23:08: rief Mustafa, als er sich von seinem

00:23:10: Erstaunen erholt hatte. "Bemühet euch

00:23:13: doch nicht so, Herr", sprach der Kleine.

00:23:16: "Ich habe wohl erraten, weswegen ihr

00:23:20: hierhermt. Auch war mir euer wertes

00:23:23: Gesicht noch wohl

00:23:25: erinnerlich. Doch wahrlich, wenn ich

00:23:27: nicht den Basser mit eigener Hand hätte

00:23:29: erhängen helfen, so hättet ihr mich

00:23:32: vielleicht getäuscht.

00:23:34: Jetzt aber bin ich da, um eine Frage zu

00:23:37: machen. Vor allem sage, wie du

00:23:40: hierherkommst, entgegnete ihm Mustafa,

00:23:42: voll Wut, dass er verraten war. Was will

00:23:46: ich euch sagen? Antwortete Jener. Ich

00:23:50: konnte mich mit dem Starken nicht länger

00:23:51: vertragen, deswegen floh ich. Aber du,

00:23:56: Mustafha warst eigentlich die Ursache

00:23:59: unseres Streites und dafür musst du mir

00:24:02: deine Schwester zur Frau geben und ich

00:24:05: will euch zur Flucht behilflich sein.

00:24:09: Gibst du sie nicht, so gehe ich zu

00:24:11: meinem neuen Herrn und erzähle ihm etwas

00:24:15: von dem neuen

00:24:16: Wasser. Mustafa war vor Schrecken und

00:24:19: Wut außer sich. Jetzt, wo er sich am

00:24:21: sicheren Ziel seiner Wünsche glaubte,

00:24:23: sollte dieser Elende kommen und sie

00:24:26: vereiteln. Es war nur ein Mittel, das

00:24:29: seinen Plan retten

00:24:31: konnte. Er musste das kleine Ungetüm

00:24:34: töten. Mit feinem Sprung fuhr er daher

00:24:37: aus dem Bett auf den Kleinen zu. Doch

00:24:39: dieser, der etwas solches geahnt haben

00:24:41: mochte, ließ die Lampe fallen, dass sie

00:24:44: verlöschte, und entsprang im Dunkeln,

00:24:47: indem er mürderisch um Hilfe schri.

00:24:50: Jetzt war guter Rat teuer. Die Mädchen

00:24:52: mußte er für den Augenblick aufgeben und

00:24:55: nur auf die eigene Rettung denken. Daher

00:24:58: ging er an das Fenster, um zu sehen, ob

00:25:00: er nicht entspringen konnte. Es war eine

00:25:03: ziemliche Tiefe bis zum Boden und auf

00:25:05: der anderen Seite stand eine hohe Mauer,

00:25:07: die zu übersteigen war. Sinn stand er an

00:25:11: dem Fenster, da hörte er viele Stimmen

00:25:14: sich seinem Zimmer nähern. Schon waren

00:25:17: sie an der Türe. Da faßte er

00:25:20: verzweiflungsvoll seinen Dolch und seine

00:25:22: Kleider und schwang sich zum Fenster

00:25:26: hinaus. Der Fall war hart, aber er

00:25:29: fühlte, dass er kein Glied gebrochen

00:25:31: hatte. Drum sprang er auf und lief der

00:25:34: Mauer zu, der den Hof umschloss, stieg

00:25:37: zum Erstaunen seiner Verfolger hinauf

00:25:40: und befand sich bald im Freien. Er floh,

00:25:43: bis er an einen kleinen Wald kam, wo er

00:25:46: sich erschöpft niederwarf.

00:25:48: Hier überlegte er, was zu tun sei. Seine

00:25:51: Pferde und seine Diener hatte er müssen

00:25:53: im Stich lassen, aber sein Geld, das er

00:25:55: in dem Gürtel trug, hatte er gerettet.

00:25:58: Sein erfinderischer Kopf zeigte ihm bald

00:26:01: einen anderen Weg zur Rettung. Er ging

00:26:04: in dem Wald weiter, bis er an einen Dorf

00:26:06: kam, wo er um geringen Preis ein Pferd

00:26:09: kaufte, das ihn in Blde in eine Stadt

00:26:12: trug.

00:26:13: Dort forschte er nach einem Arzt und man

00:26:16: riet ihm einen alten erfahrenen Mann.

00:26:19: Diesen bewog er durch einige Goldstücke,

00:26:21: dass er ihm eine Arznei mitteilte, die

00:26:24: einen todähnlichen Schlaf herbeiführte,

00:26:27: der durch ein anderes Mittel

00:26:29: augenblicklich wieder gehoben werden

00:26:31: könnte.

00:26:32: Als er im Besitz dieses Mittels war,

00:26:35: kaufte er sich einen langen falschen

00:26:37: Bart, einen schwarzen Talar und allerlei

00:26:40: Büchsen und Kolben, sodass er füglich

00:26:43: einen reisenden Arzt vorstellen konnte,

00:26:46: lud seine Sachen auf einen Esel und

00:26:49: reiste in das Schloss des Tiolikos

00:26:52: zurück. Er durfte gewiss sein, diesmal

00:26:55: nicht erkannt zu werden, denn der Bart

00:26:58: entstellte ihn so, daß er sich selbst

00:27:00: kaum mehr erkannte.

00:27:02: Bei Tioli angekommen, ließ er sich als

00:27:04: den Arzt Chakaman Kabudi Baba anmelden

00:27:09: und wie er es sich gedacht hatte,

00:27:11: geschah es. Der prachtvolle Name empfahl

00:27:14: ihn bei dem alten Narren ungemein,

00:27:17: sodass er ihn gleich zur Tafel einlut.

00:27:20: Chakaman Kabudi Baba erschien vor Tioli

00:27:24: und als sie sich kaum eine Stunde

00:27:26: besprochen hatten, beschloss der Alte

00:27:28: alles seine Sklavinnen, der Kur dieses

00:27:31: weisen Arztes zu

00:27:34: unterwerfen. Dieser konnte seine Freude

00:27:36: kaum verbergen, dass er jetzt seine

00:27:38: geliebte Schwester wiedersehen solle und

00:27:40: folgte mit klopfendem Herzen Tioli, der

00:27:43: ihn ins

00:27:45: Serte. Sie waren in ein Zimmer gekommen,

00:27:48: das schön ausgeschmückt war. worin sich

00:27:50: aber niemand befand. "Cambada oder wie

00:27:53: du heißt, lieber Arzt", sprach

00:27:56: Tiolikos. Betrachte einmal jenes Loch

00:27:59: dort in der Mauer. Dort wird jede meiner

00:28:02: Sklavinnen einen Arm herausstrecken und

00:28:05: du kannst dann untersuchen, ob der Puls

00:28:07: krank oder gesund

00:28:09: ist. Mustafachte einwenden, was er

00:28:12: wollte. Zu sehen bekam er sie nicht.

00:28:15: Doch willigte Tioli ein, daß er ihm alle

00:28:18: mal sagen wolle, wie sie sich sonst

00:28:20: gewöhnlich

00:28:22: befanden. Tioli zog nun einen langen

00:28:24: Zettel aus dem Gürtel und begann mit

00:28:27: lauter Stimme seinen Sklavinnen einzeln

00:28:29: beim Namen zu rufen, worauf alle eine

00:28:32: Hand aus der Mauer kam und der Arzt den

00:28:35: Puls untersuchte.

00:28:37: Sex waren schon abgelesen und sämtlich

00:28:40: für gesund erklärt. Da las Tiolie als

00:28:43: die siebte Fatme ab und eine kleine

00:28:47: weiße Hand schlüpfte aus der

00:28:49: Mauer. Zitternd vor Freude ergreift

00:28:52: Mustafa diese Hand und erklärt sie mit

00:28:54: wichtiger Miene für bedeutend krank.

00:28:57: Tiuli war sehr besorgt und befahl seinem

00:29:00: weisen Chakaman

00:29:02: Kabudaba schnell eine Arznei für sie zu

00:29:05: bereiten. Der Arzt ging hinaus, schrieb

00:29:08: auf einen kleinen Zettel: "Fatme, ich

00:29:11: will dich retten, wenn du dich

00:29:13: entschließen kannst, eine Arznei zu

00:29:15: nehmen, die dich auf zwei Tage tot

00:29:18: macht. Doch ich besitze das Mittel, dich

00:29:21: wieder zum Leben zu bringen. Willst du,

00:29:24: so sage nur, dieser Trank habe nicht

00:29:27: geholfen und es wird mir ein Zeichen

00:29:29: sein, dass du

00:29:31: einwilligst. Bald kam er in das Zimmer

00:29:33: zurück, wo Tioli seiner harrte. Er

00:29:36: brachte ein unschädliches Tränklein mit,

00:29:38: fühlte der kranken Fatme noch einmal den

00:29:40: Puls und schob ihr zugleich den Zettel

00:29:43: unter ihr Armband.

00:29:45: Das Tränklein aber reichte er ihr durch

00:29:47: die Öffnung in der

00:29:49: Mauer. Tioli schienen großen Sorgen

00:29:52: wegen Fatm zu sein und schob die

00:29:54: Untersuchung der Übrigen bis auf eine

00:29:56: gelegenere Zeit

00:29:57: auf. Als er mit Mustafa das Zimmer

00:30:00: verlassen hatte, sprach er mit traurigem

00:30:03: Ton: "Chutty Baba sage

00:30:07: aufrichtig, was hältst du von Fatmes

00:30:10: Krankheit?"

00:30:12: Chakamanka Budibaba antwortete mit einem

00:30:15: tiefen

00:30:16: Seufzer. Ach Herr, möge der Prophet dir

00:30:20: Trost verleihen. Sie hat ein

00:30:23: schleichendes Fieber, dass ihr wohl den

00:30:26: Gar ausmachen

00:30:27: kann. Da entbrannte der Zorn Tiolis. Was

00:30:31: sagst du? Verfluchter Hund von einem

00:30:34: Erzt. Sie, um die ich zweiend Goldstücke

00:30:38: gab, soll mir sterben wie eine Kuh.

00:30:42: Wisse, dass wenn du sie nicht rettest,

00:30:44: so haue ich dir den Kopf ab. Da merkte

00:30:48: mein Bruder, dass er einen dummen

00:30:50: Streich gemacht habe und gab Tioli

00:30:52: wieder Hoffnung. Als sie noch so

00:30:55: sprachen, kam ein schwarzer Sklave aus

00:30:57: dem Ser zu sagen, dass das Tränklein

00:31:01: nicht geholfen habe. "Biete deine ganze

00:31:04: Kunst auf,

00:31:06: Chakabanda oder" oder wie du dich

00:31:08: schreibst. Ich zahle dir, was du

00:31:11: willst", schrie Tiolikos fast heulend

00:31:14: vor Angst, so vieles Gold an den Tod zu

00:31:17: verlieren. "Ich will ihr einen Säftlein

00:31:20: geben, dass sie von aller Not

00:31:22: befreit", antwortete der Arzt. Ja, ja,

00:31:27: gib ihr einen

00:31:29: Säftlein." schluchzte der alte

00:31:31: Tioli. Frohen Mutes ging Mustafa seinen

00:31:34: Schlaftrunk holen und als er ihn dem

00:31:36: schwarzen Sklaven gegeben und gezeigt

00:31:38: hatte, wie viel man auf einmal nehmen

00:31:40: müsse, ging er zu Tioli und sagte, er

00:31:44: müsse noch einige heisame Kräuter am See

00:31:46: holen und eilte zum Tor hinaus.

00:31:50: An dem See, der nicht weit von dem

00:31:51: Schloss entfernt war, zog er seine

00:31:53: falschen Kleider aus und warf sie ins

00:31:56: Wasser, daß sie lustig

00:31:58: umherschwammen. Er selbst aber verbarg

00:32:00: sich im Gesträuch, wartete die Nacht ab

00:32:04: und schlich sich dann in den

00:32:05: Begräbnisplatz an dem Schlosse Tiolis.

00:32:09: Als Mustafa kaum eine Stunde lang aus

00:32:11: dem Schloss abwesend sein mochte,

00:32:13: brachte man Tioli die schreckliche

00:32:15: Nachricht, daß seine Sklavin Fatme im

00:32:18: Sterben liege. Er schickte hinaus an den

00:32:21: See, um schnell den Arzt zu holen, aber

00:32:24: bald kehrten seine Boten allein zurück

00:32:26: und erzählten ihm, dass der arme Arzt

00:32:29: ins Wasser gefallen und ertrunken sei.

00:32:32: Seinen schwarzen Talar sehe man mitten

00:32:35: im See schwimmen und hi und da gucke

00:32:38: auch sein stattlicher Bart aus den

00:32:40: Wellen

00:32:41: hervor. Als Tioli keine Rettung mehr

00:32:43: sah, verwünschte er sich und die ganze

00:32:46: Welt, raufte sich den Bart aus und

00:32:48: rannte mit dem Kopf gegen die Mauer.

00:32:51: Aber alles dies konnte nichts helfen,

00:32:53: denn Fatme gab bald unter den Händen der

00:32:56: übrigen Weiber den Geist auf.

00:32:59: Als Tioli die Nachricht ihres Todes

00:33:00: hörte, befahl er schnell einen Sag zu

00:33:03: machen, denn er konnte keinen Toten im

00:33:06: Hause leiden und ließ den Gleichnam in

00:33:08: das Begräbnishaus tragen. Die Träger

00:33:11: brachten den Sarg dorthin, setzten ihn

00:33:14: schnell nieder und entflohen, denn sie

00:33:17: hatten unter den übrigen Sergen, Stöhnen

00:33:19: und Seufzen

00:33:21: gehört. Mustafa, der sich hinter den

00:33:23: Sergen verbogen und von dort aus die

00:33:25: Träger des Sarges in die Flucht gejagt

00:33:27: hatte, kam hervor und zündete sich eine

00:33:31: Lampe an, die er zu diesem Zweck

00:33:33: mitgebracht hatte. Dann zog er ein Glas

00:33:36: hervor, das die erweckende Arznei

00:33:38: enthielt, und hob dann den Deckel von

00:33:41: Fatmes Sarg.

00:33:43: Aber welches Entsetzen befiel ihm, als

00:33:46: sich ihm beim Scheine der Lampe ganz

00:33:48: fremde Züge

00:33:50: zeigten, weder meine Schwester noch

00:33:53: Zuraide, sondern eine ganz andere lag in

00:33:56: dem Sar. Er brauchte lange, um sich von

00:33:58: dem neuen Schlag des Schicksals zu

00:34:00: fassen. Endlich überwog doch mit Leid

00:34:03: seinen Zorn. Er öffnete sein Glas und

00:34:07: flöste ihr die Arznei ein.

00:34:10: Sie atmete, sie schlug die Augen auf und

00:34:12: schien sich lange zu besinnen, wo sie

00:34:15: sei. Endlich erinnerte sie sich des

00:34:18: Vorgefallenen. Sie stand auf dem Sarg

00:34:22: und stürzte zu Mustafas Füßen. "Wie kann

00:34:25: ich dir danken, gütiges Wesen?", rief

00:34:28: sie aus, "dass du mich aus meiner

00:34:30: schrecklichen Gefangenschaft

00:34:31: befreitest?"

00:34:33: Mustafa unterbrach ihre Danksagungen mit

00:34:35: der Frage, wie es denn geschehen sei,

00:34:38: daß sie und nicht Fatme seine Schwester

00:34:40: gerettet worden sei. Jene sah ihn

00:34:43: staunend an. Jetzt wird mir meine

00:34:45: Rettung erst klar, die mir vorher

00:34:48: unbegreiflich war, antwortete sie.

00:34:52: Wißse, man hieß mich in jenem Schlosse

00:34:55: Fatme. Und mir hast du deinen Zettel und

00:34:58: den Rettungstrank gegeben. Mein Bruder

00:35:00: forderte die Gerettete auf, ihm von

00:35:02: seiner Schwester und ziden Nachricht zu

00:35:05: geben, und erfuhr, dass sie sich beide

00:35:08: im Schloss befinden, aber nach der

00:35:10: Gewohnheit Tiolis andere Namen bekommen

00:35:13: haben. Sie heißen jetzt Mirza und Nurm.

00:35:19: Als Fatme, die gerettete Sklavin, sah,

00:35:21: daß mein Bruder durch diesen Fehlgriff

00:35:23: so niedergeschlagen sei, sprach sie ihm

00:35:26: Mut ein und versprach ihm ein Mittel zu

00:35:29: sagen, wie er jene beiden Mädchen

00:35:32: dennoch retten könne. Aufgeweckt durch

00:35:35: diesen Gedanken schöpfte Mustafa von

00:35:37: neuem Hoffnung und bat sie dieses Mittel

00:35:40: ihm zu nennen. Und sie sprach: "Ich bin

00:35:43: zwar erst seit 5 Monaten die

00:35:46: Sklavenis, doch habe ich gleich von

00:35:48: Anfang an auf Rettung gesonnen, aber für

00:35:51: mich allein war sie zu schwer. In dem

00:35:54: Innern Hof des Schlosses wirst du einen

00:35:56: Brunnen bemerkt haben, der aus zehn

00:35:59: Röhren Wasser speit. Dieser Brunnen fiel

00:36:02: mir auf. Ich erinnerte mich in dem Hause

00:36:06: meines Vaters einen ähnlichen gesehen zu

00:36:08: haben, dessen Wasser durch eine

00:36:11: geräumige Wasserleitung

00:36:14: herbeiströmt. Um nun zu erfahren, ob

00:36:17: dieser Brunnen auch so gebaut sei,

00:36:19: rühmte ich eines Tages vor Tioli seine

00:36:21: Pracht und fragte nach seinem

00:36:24: Baumeister. "Ich selbst habe ihn

00:36:26: gebaut", antwortete er. Und das, was du

00:36:30: hier siehst, ist noch das Geringste.

00:36:33: Aber das Wasser dazu kommt wenigstens

00:36:36: tausend Schritte weit von einem Bach her

00:36:38: und geht durch eine gewölbte

00:36:41: Wasserleitung, die wenigstens manns hoch

00:36:44: ist und alles dies habe ich selbst

00:36:49: angegeben. Als ich dies gehört hatte,

00:36:52: wünschte ich mir oft nur auf einen

00:36:55: Augenblick die Stärke eines Mannes zu

00:36:57: haben, um einen Stein aus der Seite des

00:37:00: Brunnens ausheben zu können, dann könnte

00:37:03: ich fliehen, wohin ich

00:37:05: wollte. Diese Wasserleitung nun will ich

00:37:08: dir zeigen. Durch sie kannst du nachts

00:37:11: in das Schloss gelangen und jene

00:37:13: befreien. Aber du mußt wenigstens noch

00:37:16: zwei Männer bei dir haben, um die

00:37:18: Sklaven, die das SER die Nacht bewachen,

00:37:21: zu

00:37:22: überwältigen." So sprach sie. Mein

00:37:24: Bruder Mustafa aber obgleich schon

00:37:27: zweimal in seinen Hoffnungen getäuscht,

00:37:30: faßte noch einmal Mut und hoffte mit

00:37:33: Allahs Hilfe, den Plan der Sklavin

00:37:36: auszuführen. Er versprach ihr für ihr

00:37:39: weiteres Fortkommen in ihre Heimat zu

00:37:41: sorgen, wenn sie ihm behilflich sein

00:37:44: wollte, ins Schloss zu

00:37:45: gelangen. Aber ein Gedanke machte ihm

00:37:48: noch Sorge, nämlich der, woher er zwei

00:37:51: oder drei treuige Hilfen bekommen

00:37:52: könnte.

00:37:54: Da fiel ihm Orbas Dolch ein und das

00:37:57: Versprechen, das ihm jener gegeben

00:37:59: hatte, ihm, wo er seiner Bedirfer zu

00:38:02: Hilfe zu eilen. Und er machte sich daher

00:38:05: mit Fatme aus dem Begräbnis auf, um den

00:38:08: Räuber

00:38:10: aufzusuchen. In der nämlichen Stadt, wo

00:38:12: er sich zum Arzt umgewandelt hatte,

00:38:14: kaufte er um sein letztes Geld ein Ross

00:38:17: und mietete Fatm bei einer armen Frau in

00:38:20: der Vorstadt ein.

00:38:22: Er selbst aber eilte dem Gebirge zu, wo

00:38:24: er Orbasan zum ersten Mal getroffen

00:38:26: hatte und gelangte in drei Tagen

00:38:29: dorthin. Er fand bald wieder jene Zelte

00:38:32: und trat unverhofft vor Orbasan, der ihn

00:38:35: freundlich willkommen

00:38:37: hieß. Er erzählte ihm seine misslungenen

00:38:40: Versuche, wobei sich der ernsthafte

00:38:42: Obersah nicht enthalten konnte, h und da

00:38:45: ein wenig zu lachen, besonders wenn er

00:38:48: sich den Arzt Chakamanka Budibaba

00:38:50: dachte.

00:38:52: Über die Verräterei des Kleinen aber war

00:38:54: er wütend. Er schwuh, ihn mit eigener

00:38:57: Hand aufzuhängen, wo er ihn finde.

00:39:00: Meinem Bruder aber versprache er

00:39:03: sogleich zur Hilfe bereit zu sein, wenn

00:39:05: er sich vorher von seiner Reise gestärkt

00:39:07: haben würde. Mustafa blieb daher diese

00:39:11: Nacht wieder in Orbas Zelt. Mit dem

00:39:13: ersten Frührod aber brachen sie auf und

00:39:17: Orbasan nahm drei seiner tapfersten

00:39:19: Männer, wohl beritten und bewaffnet mit

00:39:23: sich. Sie ritten stark zu und kamen nach

00:39:26: zwei Tagen in die kleine Stadt, wo

00:39:28: Mustafa die gerettete Fatm

00:39:29: zurückgelassen hatte. Von da aus reisten

00:39:32: sie mit dieser weiter bis zu dem kleinen

00:39:34: Wald, von woaus man das Schloss Tio

00:39:37: ließ, in geringer Entfernung sehen

00:39:39: konnte.

00:39:40: Dort lagerten sie sich, um die Nacht

00:39:44: abzuwarten. Sobald es dunkel wurde,

00:39:46: schlichen sie sich von Fatma geführt an

00:39:49: den Bach, wo die Wasserleitung anfing,

00:39:53: und fanden diese bald. Dort ließen sie

00:39:56: Fatme und einen Diener mit den Rossen

00:39:58: zurück und schickten sich an

00:40:01: hinabzusteigen. Ehe sie aber

00:40:03: hinabstiegen, wiederholte ihnen Fatme

00:40:06: noch einmal alles genau, nämlich, dass

00:40:08: sie durch den Brunnen in den inneren

00:40:10: Schlosshof kämen. Dort seien rechts und

00:40:13: links in der Ecke zwei Türme. In der

00:40:16: sechsten Türe vom Turme rechts gerechnet

00:40:19: befinden sich Fatme und Zuraide, bewacht

00:40:22: von zwei schwarzen Sklaven.

00:40:25: Mit Waffen und Brecheisen wohl versehen

00:40:28: stiegen Mustafa Obersahn und zwei andere

00:40:31: Männer hinab in die

00:40:33: Wasserleitung. Sie sanken zwarbes an den

00:40:35: Gürtel ins Wasser, aber nichts desto

00:40:37: weniger gingen sie rüstig vorwärts. Nach

00:40:40: einer halben Stunde kamen sie an den

00:40:43: Brunnen selbst und setzten sogleich ihre

00:40:46: Brecheisen an.

00:40:48: Die Mauer war dick und fest, aber den

00:40:50: vereinten Kräften der vier Männer konnte

00:40:53: sie nicht lange

00:40:54: widerstehen. Bald hatten sie eine

00:40:56: Öffnung eingebrochen, groß genug, um

00:40:59: bequem durchschlüpfen zu

00:41:01: können. Basan schlüpfte zuerst durch und

00:41:04: half den anderen nach, und als sie alle

00:41:07: im Hof waren, betrachteten sie die Seite

00:41:10: des Schlosses, die vor ihnen lag, um die

00:41:13: beschriebene Türe zu erforschen. Aber

00:41:15: sie waren nicht einig, welche es sei,

00:41:18: denn als sie von dem rechten Turm zum

00:41:20: linken zelten, fanden sie eine Türe, die

00:41:23: zugemauert war und wussten nun nicht, ob

00:41:26: Fatm diese übersprungen oder mitgezählt

00:41:29: habe. Aber Orbasan besann sich nicht

00:41:32: lange. "Mein gutes Schwert wird mir jede

00:41:35: Türe öffnen", rief aus, ging auf die

00:41:38: sechste Türe zu und die anderen folgten

00:41:41: ihm. Sie öffneten die Türe und fanden

00:41:44: sechs schwarze Sklaven auf dem Boden

00:41:46: liegend und

00:41:48: schlafend. Sie wollten schon wieder

00:41:50: leise sich zurückziehen, weil sie sahen,

00:41:52: dass sie die rechte Türe verfehlt

00:41:54: hatten, als eine Gestalt in der Ecke

00:41:57: sich aufrichtete und mit wohlbekannter

00:42:00: Stimme um Hilfe rief.

00:42:02: Es war der Kleine aus Urbasahns Lager,

00:42:06: aber eher noch die Schwarzenrecht

00:42:07: wußten, wie ihnen geschah. Stürzte

00:42:10: Obersan auf den Kleinen zu, riss seinen

00:42:13: Gürtel in zwei, verstopfte ihm den Mund

00:42:16: und band ihm die Hände auf den Rücken.

00:42:19: Dann wandte er sich an die Sklaven,

00:42:20: wovon schon einige von Mustafa und den

00:42:22: zwei anderen halbgebunden waren, und

00:42:25: half sie voll ins

00:42:27: Überwältigen. Man setzte den Sklaven den

00:42:29: Dolch auf die Brust und fragte sie, wo

00:42:32: Nur Maall und Mirzer wären, und sie

00:42:36: gestanden, dass sie im Gem nebenan

00:42:39: seien. Mustafa stürzte in das Gem und

00:42:43: fand Fatme und

00:42:44: Zoraiden, die der Lärm erweckt hatte.

00:42:48: Schnell rafften diese ihren Schmuck und

00:42:50: ihre Kleider zusammen und folgten

00:42:52: Mustafa. Die beiden Räuber schlugen in

00:42:55: des Orbasan vor zu plündern, was man

00:42:57: fände. Doch dieser verbot es ihnen und

00:43:00: sprach: "Man soll nicht von Orbasan

00:43:02: sagen können, dass er nachts in die

00:43:04: Häuser steige, um Gold zu stehlen."

00:43:07: Mustafa und die Geretteten schlüpften

00:43:09: schnell in die Wasserleitung, wohin

00:43:11: ihnen Urbasan sogleich zu folgen

00:43:13: versprach.

00:43:15: Als sie in die Wasserleitung

00:43:16: hinabgestiegen waren, nahm Orbasan und

00:43:19: einer der Räuber den Kleinen und führten

00:43:21: ihn hinaus in den

00:43:23: Hof. Dort banden sie ihm eine seidene

00:43:26: Schnur, die sie deshalb mitgenommen

00:43:28: hatten um den Hals, und hingen ihn an

00:43:31: der höchsten Spitze des Brunnens auf.

00:43:34: Nachdem sie so den Verrat desenden

00:43:36: bestraft hatten, stiegen sie selbst auch

00:43:39: hinab in die Wasserleitung und folgten

00:43:41: Mustafa.

00:43:43: Mit Tränen dankten die beiden ihrem

00:43:45: edelmütigen Retter

00:43:46: Obasan. Doch dieser trieb sie eilens zur

00:43:50: Flucht an, denn es war sehr

00:43:52: wahrscheinlich, dass sie Tiolikos nach

00:43:54: allen Seiten verfolgen

00:43:56: ließ. Mit tiefer Rührung trennten sich

00:43:59: am andern Tage Mustafa und seine

00:44:01: Geretteten von

00:44:03: Obersan. Wahrlich, sie werden ihn nie

00:44:06: vergessen. Fatme aber, die befreite

00:44:09: Sklavin, ging verkleidet nach Balsora.

00:44:12: um sich dort in ihre Heimat

00:44:15: einzuschiffen. Nach einer kurzen und

00:44:17: vergnügten Reise kamen die Meinigen in

00:44:19: die Heimat. Meinen alten Vater tötete

00:44:23: beinahe die Freude des

00:44:25: Wiedersehens. Den anderen Tag nach ihrer

00:44:27: Ankunft veranstaltete er ein großes

00:44:29: Fest, an welchem die ganze Stadt

00:44:32: teilnahm. Vor einer großen Versammlung

00:44:34: von Verwandten und Freunden mußte mein

00:44:37: Bruder seine Geschichte erzählen und

00:44:40: einstimmig briesen sie ihn und den edlen

00:44:43: Räuber. Als aber mein Bruder geschlossen

00:44:46: hatte, stand mein Vater auf und führte

00:44:50: zur Raiden ihm zu. "So lösche ich denn",

00:44:54: sprach er mit feierlicher Stimme, "Den

00:44:57: Fluch von deinem Haupte.

00:45:00: Nimm diese hin als die

00:45:02: Belohnung, die du dir durch deinen

00:45:05: rastlosen Eifer erkämpft hast.

00:45:08: Nimm meinen väterlichen Segen und möge

00:45:13: es nie unsere Stadt an Männern fehlen,

00:45:17: die an brüderlicher Liebe, an

00:45:21: Klugheit und Eiferm dir

00:45:30: gleichen. Die Geschichte

00:45:33: [Musik]

00:45:38: vom Inesa, meiner lieben Vaterstadt,

00:45:42: wohnte ein Mann, den man den kleinen

00:45:45: Muck hieß. Ich kann mir ihn, ob ich

00:45:48: gleich damals noch sehr jung war, noch

00:45:50: recht wohl denken, besonders weil ich

00:45:53: einmal von meinem Vater wegen seiner

00:45:55: Halbtot geprügelt wurde. Der kleine Muck

00:45:58: nämlich war schon ein alter Geselle. als

00:46:01: ich ihn kannte. Doch war er nur drei bis

00:46:04: vier Schuh hoch. Dabei hatte er eine

00:46:08: sonderbare Gestalt, denn sein Leib, so

00:46:11: klein und zierlich er war, musste einen

00:46:14: Kopf tragen, viel größer und dicker als

00:46:18: der Kopf anderer Leute. Er wohnte ganz

00:46:21: allein in einem großen Haus und kochte

00:46:24: sich sogar selbst. Auch hätte man in der

00:46:27: Stadt nicht gewußt, ob er lebe oder

00:46:29: gestorben sei, denn er ging nur alle

00:46:32: vier Wochen einmal aus, wenn nicht um

00:46:35: die Mittagsstunde ein mächtiger Dampf

00:46:37: aus dem Hause aufgestiegen wäre. Doch

00:46:40: sah man ihn oft abends auf seinem Dacher

00:46:43: auf und abgehen. Von der Straße aus

00:46:46: glaubte man aber, nur sein großer Kopf

00:46:49: allein laufe auf dem Dache umher.

00:46:53: Meine Kameraden und ich waren böse

00:46:55: Buben, die jeder Mann gerne neckten und

00:46:58: belachten. Daher war es uns alle mal ein

00:47:01: Festtag, wenn der kleine Muck ausging.

00:47:05: Wir versammelten uns an dem bestimmten

00:47:06: Tage vor seinem Haus und warteten, bis

00:47:09: er herauskam.

00:47:11: Wenn dann die Türe aufging und zuerst

00:47:14: der große Kopf mit dem noch größeren

00:47:17: Turban

00:47:18: herausguckte, wenn dann das übrige

00:47:20: Körperlein

00:47:22: nachfolgte, angetan mit einem

00:47:24: abgeschabten Mäntelein, weiten

00:47:27: Beinkleidern und einem breiten Gürtel,

00:47:30: an welchem ein langer Dolch hing, so

00:47:32: lang, dass man nicht wusste, ob Muck an

00:47:35: dem Dolch oder der Dolch an Muck.

00:47:39: Wenn er also so

00:47:40: heraustrat, da ertönte die Luft von

00:47:43: unserem

00:47:44: Freudengeschrei. Wir warfen unsere

00:47:46: Mützen in die Höhe und tanzten wie toll

00:47:49: um ihn

00:47:50: her. Der kleine Muck aber größte uns mit

00:47:53: ernsthaftem Kopfnicken und ging mit

00:47:56: langsamen Schritten die Straße hinab.

00:47:59: Dabei schlurfte er mit den Füßen, denn

00:48:01: er hatte große weite Pantoffeln an, wie

00:48:04: ich sie noch nie

00:48:06: gesehen. Wir Knaben liefen hinter ihm

00:48:08: her und schrien immer: "Kleiner Muck,

00:48:11: kleiner Muck."

00:48:13: Auch hatten wir ein lustiges Verslein,

00:48:15: dass wir ihm zu Ehren hie und da sangen.

00:48:18: Es hieß: "Kleiner Muck, kleiner Muck,

00:48:22: wohnst in einem großen Haus, gehst nur

00:48:25: all vier Wochen aus, bist ein braver

00:48:29: kleiner Zwerg, hast ein Köpflein wie

00:48:32: einen Berg. Schau dich einmal um und

00:48:35: guck. Lauf und fang uns, kleiner Muck.

00:48:41: So hatten wir schon oft unser Kurzweih

00:48:43: getrieben, und zu meiner Schande muß ich

00:48:45: es gestehen, ich trieb's am ärgsten,

00:48:49: denn ich zupfte ihn oft am Mäntelein und

00:48:51: einmal trat ich ihm auch von hinten auf

00:48:53: die großen Pantoffel, dass er hinfiel.

00:48:57: Dies kam mir nun höchst lächerlich vor,

00:49:00: aber das Lachen verging mir, als ich den

00:49:02: kleinen Muck auf meines Vaters Haus

00:49:05: zugehen sah. Er ging richtig hinein und

00:49:10: blieb einige Zeit dort. Ich versteckte

00:49:12: mich an der Haustüre und sah den Muck

00:49:15: wieder

00:49:16: herauskommen, von meinem Vater

00:49:18: begleitet, der ihn ehrerbiet an der Hand

00:49:21: hielt und an der Türe unter vielen

00:49:24: Bücklingen sich von ihm

00:49:27: verabschiedete. Mir war gar nicht

00:49:28: wohlut. Ich blieb daher lange in meinem

00:49:31: Versteck.

00:49:32: Endlich aber trieb mich der Hunger, den

00:49:34: ich Ärger fürchtete als Schläge heraus,

00:49:37: und demütig und mit gesenktem Kopf trat

00:49:41: dich vor meinen Vater. "Du hast, wie ich

00:49:44: höre, den guten Muck geschimpft", sprach

00:49:47: er in sehr ernstem Tone. "Ich will dir

00:49:50: die Geschichte dieses Muck erzählen und

00:49:53: du wirst ih gewiss nicht mehr auslachen.

00:49:55: Vor und nachher aber bekommst du das

00:49:57: Gewöhnliche."

00:50:00: Das Gewöhnliche aber

00:50:02: waren Hiebe, die er mir allzu richtig

00:50:05: aufzuzählen

00:50:07: pflegte. Er nahm daher sein langes

00:50:10: Pfeifenrohr, schraubte die

00:50:12: Bernsteinmundspitze ab und bearbeitete

00:50:15: mich Ärger als je

00:50:17: zuvor. Als die 25 voll waren, befahl er

00:50:21: mir

00:50:22: aufzumerken und erzählte mir von dem

00:50:25: kleinen Muck.

00:50:29: Der Vater des kleinen Muck, der

00:50:31: eigentlich Muckra heißt, war ein

00:50:34: angesehener, aber armer Mann hier in

00:50:37: Nissa. Er lebte beinah so einsiedlerisch

00:50:41: als jetzt seinen Sohn. Diesen konnte er

00:50:44: nicht wohl leiden, weil er sich seiner

00:50:47: Zwerggestalt schämte und ließ ihn daher

00:50:50: auch in Unwissenheit

00:50:52: aufwachsen. Der kleine Muck war noch in

00:50:54: seinem 16. Ja, ein lustiges Kind und der

00:50:57: Vater ein ernster Mann, tadelte ihn

00:51:00: immer, dass er, der schon längst die

00:51:02: Kinderschuhe zertreten haben sollte,

00:51:05: noch so dumm und leppisch sei. Der Alte

00:51:08: tat aber einmal einen bösen Fall, an

00:51:11: welchem er auch starb, und den kleinen

00:51:14: Muck arm und unwissend zurückließ.

00:51:18: Die harten Verwandten, denen der

00:51:20: Verstorbene mehr schuldig war, als er

00:51:22: bezahlen konnte, jagten den armen

00:51:25: Kleinen aus dem Hause und rieten ihm in

00:51:28: die Welt hinauszugehen und sein Glück zu

00:51:31: suchen. Der kleine Muck antwortete: "Er

00:51:34: sei schon reisefertig, wart sich aber

00:51:36: nur noch den Anzug seines Vaters aus,

00:51:39: und dieser wurde ihm auch bewillig.

00:51:42: Sein Vater war ein großer, starker Mann

00:51:45: gewesen, daher paen die Kleider nicht.

00:51:48: Muck aber wußte bald Rat. Er schnitt ab,

00:51:52: was zu lang war, und zog dann die

00:51:55: Kleider an. Er schien aber vergessen zu

00:51:58: haben, dass er auch in der Weite davon

00:52:00: schneiden müsse, daher sein sonderbarer

00:52:03: Aufzug, wie er noch heute zu sehen ist.

00:52:06: Der große Turban, der breite Girtel, die

00:52:10: weiten Hosen, das blaue

00:52:13: Mäntellein. Alles dies sind Erbstücke

00:52:16: seines Vaters, die er seitdem getragen.

00:52:19: Den langen Dammas Zehner Dolch seines

00:52:22: Vaters aber steckte er in den Gürtel, er

00:52:25: griff ein Stöcklein und wanderte zum Tor

00:52:28: hinaus.

00:52:30: Fröhlich wanderte er den ganzen Tag,

00:52:33: denn er war ja ausgezogen, um sein Glück

00:52:35: zu suchen. Wenn er einen Scherben auf

00:52:37: der Erde im Sonnenschein glänzen sah, so

00:52:40: steckte er ihn gewiss zu sich. Im

00:52:42: Glauben, daß er sich in den schönsten

00:52:45: Diamant verwandeln werde. Sah er in der

00:52:48: Ferne die Kuppel einer Moschee wie

00:52:51: Feuerstrahlen, sah er einen See wie

00:52:54: einen Spiegel blinken. So eilte er voll

00:52:57: Freude darauf zu, denn er dachte, in

00:53:00: einem Zauberland angekommen zu

00:53:02: sein. Aber ach, Trugbilder verschwanden

00:53:06: in der Nähe und nur allzu bald erinnerte

00:53:10: ihn seine Müdigkeit. und sein Vorhunger

00:53:13: knurrender Magen, daß er noch im Lande

00:53:15: der Sterblichen sich

00:53:17: befinde. So war er zwei Tage gereist,

00:53:20: unter Hunger und Kummer und verzweifelte

00:53:23: sein Glück zu finden. Die Früchte des

00:53:25: Feldes waren seine einzige Nahrung, die

00:53:28: harte Erde, sein

00:53:31: Nachtlager. Am Morgen des dritten Tages

00:53:34: erblickte er von einer Anhöhe eine große

00:53:37: Stadt. Hell leuchtete der Halbmond auf

00:53:39: ihren Zinnen. Unte Fahnen schimmerten

00:53:42: auf den Dächern und schienen den kleinen

00:53:45: Muck zu sich her zu

00:53:47: winken. Überrascht stand der Stille und

00:53:50: betrachtete Stadt und

00:53:52: Gegend. "Ja, dort wird Klein Muck sein

00:53:56: Glück finden", sprach er zu sich und

00:54:00: machte trotz seiner Müdigkeit einen

00:54:02: Luftsprung. "Dort oder

00:54:05: nirgends?" Er raffte all seine Kräfte

00:54:07: zusammen und schritt auf die Stadt zu.

00:54:11: Aber obgleich sie ganz nahe, konnte er

00:54:14: sie doch erst gegen Mittag erreichen,

00:54:16: denn seine kleinen Glieder versagten ihm

00:54:18: beinah ergänzlich ihren Dienst und er

00:54:21: musste sich oft in den Schatten einer

00:54:23: Palme setzen, um

00:54:25: auszuruhen. Endlich war er an dem Tor

00:54:28: der Stadt angelangt. Er legte sein

00:54:30: Mäntelein zurecht, wand den Turban

00:54:33: schöner um, zog den Gürtel noch breiter

00:54:36: an und steckte den langen Dolch

00:54:38: schiefer.

00:54:40: Dann wischte er den Staub von den

00:54:41: Schüen, ergriff sein Stöcklein und ging

00:54:45: mutig zum Tor

00:54:47: hinein. Er war schon einige Straßen

00:54:49: durchwandert, aber nirgends öffnete sich

00:54:52: eine Türe. Nirgends rief man, wie er

00:54:54: sich vorgestellt hatte: "Kleiner Muck,

00:54:57: komm herein und iss und trink und lass

00:55:00: deine Füßlein

00:55:02: ausruhen." Er schaute gerade auch wieder

00:55:05: recht sehnsüchtig an einem großen,

00:55:07: schönen Haus hinauf.

00:55:09: Da öffnete sich ein Fenster. Eine alte

00:55:12: Frau schaute heraus und rief mit

00:55:15: singender Stimme: "Herbei, herbei,

00:55:19: gekocht ist der Brei. Den Tisch ließ ich

00:55:22: decken, drum lasst es euch schmecken.

00:55:26: Ihr Nachbarn herbei, gekocht ist der

00:55:30: Brei." Die Türe des Hauses öffnete sich

00:55:34: und Muck sah viele Hunde und Katotzen

00:55:37: hineingehen. Er stand einige Augenblicke

00:55:39: in Zweifel, aber der Einladung folgen

00:55:42: sollte. Endlich aber fasste er sich ein

00:55:44: Herz und ging in das

00:55:46: Haus. Vor ihm her gingen ein paar junge

00:55:49: Kätzlein und er beschloss ihnen zu

00:55:52: folgen, weil sie vielleicht die Küche

00:55:54: besser wüssten als er. Als Muck die

00:55:57: Treppe hinaufgestiegen war, begegnete er

00:56:00: jener alten Frau, die zum Fenster

00:56:03: herausgeschaut hatte.

00:56:05: Sie sah ihn mürrisch an und fragte nach

00:56:07: seinem

00:56:08: Begehr. "Du hast ja jeder Mann zu deinem

00:56:11: Brei

00:56:12: eingeladen", antwortete der kleine Muck.

00:56:15: "Und weil ich gar so hungrig bin, bin

00:56:19: ich auch

00:56:20: gekommen." Die Alte lachte und sprach:

00:56:23: "Woher kommst du denn, wunderlicher

00:56:25: Gesell? Die ganze Stadt weiß, daß ich

00:56:28: für niemand koche als für meine lieben

00:56:30: Katzen. Und hier und da lade ich ihnen

00:56:32: Gesellschaft aus der Nachbarschaft ein,

00:56:34: wie du siehest.

00:56:36: Der kleine Muck erzählte der alten Frau,

00:56:39: wie es ihm nach seines Vaterst so hart

00:56:42: ergangen sei, und bat sie, ihn heute mit

00:56:45: ihren Katzen speisen zu lassen. Die

00:56:48: Frau, welcher die treuherzige Erzählung

00:56:50: des Kleinen wohl gefiel, erlaubte ihm,

00:56:53: ihr Gast zu sein und gab ihm reichlich

00:56:56: zu essen und zu trinken. Als er

00:56:59: gesättigt und gestärkt war, betrachtete

00:57:02: ihn die Frau lange und sagte dann:

00:57:05: "Kleiner Muck, bleibe bei mir in meinem

00:57:09: Dienste. Du hast geringe Mühe und sollst

00:57:12: gut gehalten

00:57:13: sein." Der kleine Muck, dem der

00:57:16: Katzenbrei geschmeckt hatte, willigte

00:57:19: ein und wurde also der Bediente der Frau

00:57:23: Ahafsi. Er hatte einen leichten, aber

00:57:26: sonderbaren Dienst. Frau Ahaff. Sie

00:57:29: hatte nämlich zwei Kater und vier

00:57:31: Katzen. Diesen musste der kleine Muck

00:57:34: alle morgen den Pelz kämmen und mit

00:57:36: köstlichen Salben

00:57:38: einreiben. Wenn die Frau ausging, musste

00:57:41: er auf die Katzen Achtung geben. Wenn

00:57:43: sie aßen, musste er ihnen die Schüsseln

00:57:46: vorlegen. Und nachts musste er sie auf

00:57:49: seidene Polster legen und sie mit stenen

00:57:52: Decken

00:57:53: einhüllen. Auch waren noch einige kleine

00:57:55: Hunde im Haus, die er bedienen musste,

00:57:57: doch wurden mit diesen nicht so viele

00:57:59: Umstände gemacht wie mit den Katzen,

00:58:02: welche Frau erhaff sie, wie ihre eigenen

00:58:04: Kinder hielt. Übrigens führte Muck ein

00:58:08: so einsames Leben wie in seines Vaters

00:58:10: Haus, denn außer der Frau sah er den

00:58:13: ganzen Tag nur Hunde und

00:58:15: Katzen. Eine Zeit lang ging es dem

00:58:18: kleinen Muck ganz gut. Er hatte immer zu

00:58:20: essen und wenig zu arbeiten, und die

00:58:23: alte Frau schien recht zufrieden mit ihm

00:58:25: zu sein. Aber nach und nach wurden die

00:58:28: Katzen unartig. Wenn die Alte

00:58:30: ausgegangen war, sprangen sie wie

00:58:33: besessen in den Zimmern umher, warfen

00:58:35: alles durcheinander und zerbrachen

00:58:37: manches schöne Geschirr, das ihnen im

00:58:40: Weg stand.

00:58:41: Wenn sie aber die Frau die Treppe

00:58:43: heraufkommen hörten, verkrochen sie sich

00:58:45: auf ihre Polster und wedelten ihr mit

00:58:48: den Schwänzen entgegen, wie wenn nichts

00:58:50: geschehen wäre. Die Frau Erhafsi geriet

00:58:54: dann in Zorn, wenn sie ihre Zimmer so

00:58:56: verwüstet sah, und schob alles auf

00:58:59: Muck. Er mochte seine Unschuld beteuern,

00:59:02: wie er wollte. Sie ihm glaubte, ihren

00:59:05: Katotzen, die so unschuldig aussahen,

00:59:08: mehr als ihrem

00:59:10: Diener. Der kleine Muck war sehr

00:59:12: traurig, dass er also auch hier sein

00:59:14: Glück nicht gefunden habe und beschloss

00:59:17: bei sich, den Dienst der Frau Ahavsi zu

00:59:20: verlassen. Da er aber auf seiner ersten

00:59:22: Reise erfahren hatte, wie schlecht man

00:59:24: ohne Geld lebt, beschloss er, den Lohn,

00:59:28: den ihm seine Gebieterin immer

00:59:29: versprochen, aber nie gegeben hatte,

00:59:31: sich auf irgendeine Art zu

00:59:34: verschaffen. Es befand sich in dem Hause

00:59:36: der Frau Ahafsi ein Zimmer, das immer

00:59:39: verschlossen war und dessen Inneres er

00:59:42: nie gesehen hatte. Doch hatte er die

00:59:44: Frau oft darin Rumoren gehört, und er

00:59:47: hätte oft für sein Leben gern gewußt,

00:59:48: was sie dort versteckt

00:59:50: habe. Als er nun an sein Reisegeld

00:59:53: dachte, fiel ihm ein, dass dort die

00:59:56: Schätze der Frau versteckt sein könnten.

00:59:59: Aber immer war die Türe fest

01:00:00: verschlossen und er konnte daher den

01:00:02: Schätzen nie

01:00:04: beikommen. Eines Morgens, als die Frau

01:00:07: Ahafsi ausgegangen war, zupfte ihn eines

01:00:10: der Hundlein, welches von der Frau immer

01:00:12: sehr stiefmitterlich behandelt wurde,

01:00:14: dessen Gunst er sich aber durch allerlei

01:00:16: Liebesdienste in hohem Grade erworben

01:00:18: hatte, an seinen weiten Beinkleidern und

01:00:22: geberdete sich dabei, wie wenn Muck ihm

01:00:24: folgen sollte. Muck, welcher gerne mit

01:00:27: den Hunden spielte, folgte ihm. Und

01:00:30: siehe da, das Hundlein führte ihn in die

01:00:34: Schlafkammer der Frau Ahafsi vor eine

01:00:37: kleine Türe, die er nie zuvor dort

01:00:39: bemerkt hatte. Die Türe war halb offen,

01:00:44: das Hundlein ging hinein und Muck folgte

01:00:47: ihm.

01:00:48: Und wie freudig war er überrascht, als

01:00:51: er sah, daß er sich in dem Gemach

01:00:54: befinde, das schon lange das Ziel seiner

01:00:56: Wünsche war. Er spähte überall umher, ob

01:01:00: er kein Geld finden könnte, fand aber

01:01:02: nichts. Nur alte Kleider und wunderlich

01:01:05: geformte Geschirre standen

01:01:07: umher. Eines dieser Geschirre zog seine

01:01:11: besondere Aufmerksamkeit auf sich. Es

01:01:14: war von Kristall und schöne Figuren

01:01:17: waren darauf

01:01:19: ausgeschnitten. Er hob es auf und drehte

01:01:22: es nach allen

01:01:23: Seiten. Aber oh Schrecken, er hatte

01:01:26: nicht bemerkt, dass es einen Deckel

01:01:28: hatte, der nur leicht darauf hingesetzt

01:01:31: war. Der Deckel fiel herab und zerbrach

01:01:35: in tausend

01:01:37: Stücken. Lange stand der kleine Muck

01:01:40: Schrecken leblos. Jetzt war sein

01:01:42: Schicksal entschieden. Jetzt mußte er

01:01:44: entfliehen, sonst schlug ihn die alte

01:01:47: Tod. Zugleich war auch seine Reise

01:01:49: beschlossen und nur noch einmal wollte

01:01:51: er sich umschauen, ob er nichts von den

01:01:53: Habseligkeiten der Frau Ahafsi zu seinem

01:01:55: Marsch brauchen könnte. Da fielen ihm

01:01:58: ein paar mächtig große Pantoffeln ins

01:02:01: Auge. Sie waren zwar nicht schön, aber

01:02:03: seine eigenen konnten keine Reise mehr

01:02:05: mitmachen. Auch zogen ihn jene wegen

01:02:08: ihrer Größe an, denn hatte er diese am

01:02:11: Fuß. So mußten ihm hoffentlich alle

01:02:13: Leute ansehen, daß er die Kinderschuhe

01:02:16: vertreten habe. Er zog also schnell

01:02:19: seine Töflein aus und fuhr in die Großen

01:02:22: hinein. Ein Spazierstöcklein mit einem

01:02:24: schön geschnittenen Löwenkopf schien ihm

01:02:27: auch hier allzu müßig in der Ecke zu

01:02:29: stehen. Er nahm es also mit und eilte

01:02:32: zum Zimmer hinaus.

01:02:35: Schnell ging er jetzt auf seine Kammer,

01:02:37: zog sein Mäntelein an, setzte den

01:02:39: väterlichen Turbahn auf, steckte den

01:02:42: Dolch in den Gürtel und lief, so schnell

01:02:44: ihn seine Füße trugen, zum Haus und zur

01:02:47: Stadt

01:02:48: hinaus. Vor der Stadt lief er aus Angst

01:02:51: vor der Alten, immer weiter fort, bis er

01:02:55: vor Müdigkeit beinah nicht mehr konnte.

01:02:59: So schnell war er in seinem ganzen Leben

01:03:01: nicht gegangen. Ja, es schien ihm, als

01:03:05: könne er gar nicht aufhören zu rennen,

01:03:07: denn eine unsichtbare Gewalt schien ihn

01:03:11: fortzureißen. Endlich bemerkte er, dass

01:03:14: es mit den

01:03:15: Pantoffeln eine eigene Bewandnis haben

01:03:18: müsse, denn diese schossen immer fort

01:03:22: und führten ihn mit sich.

01:03:24: Er versuchte auf allerlei Weise

01:03:26: stillzustehen, aber es wollte nicht

01:03:28: gelingen. Da rief er in der höchsten

01:03:30: Not, wie man den Pferden zuruft, sich

01:03:33: selbst zu oh, halt! Oh! Da hielten die

01:03:38: Pantoffeln und Muck warf sich erschöpft

01:03:41: auf die Erde nieder. Die Pantoffeln

01:03:44: freuten ihn ungemein. So hatte er sich

01:03:46: denn doch durch seine Dienste etwas

01:03:48: erworben, dass ihm in der Welt auf

01:03:51: seinem Weg, das Glück zu suchen,

01:03:52: forthelfen konnte.

01:03:54: Er schlief trotz seiner Freude vor

01:03:56: Erschöpfung ein, denn das Körperlein des

01:03:59: kleinen Muck, das einen so schweren Kopf

01:04:01: zu tragen hatte, konnte nicht viel

01:04:04: aushalten.

01:04:06: Traum erschien ihm das Hundlein, welches

01:04:10: ihm im Hause der Frau Ahafse zu den

01:04:12: Pantoffeln verholfen hatte und sprach zu

01:04:15: ihm: "Lieber Muck, du verstehst den

01:04:19: Gebrauch der Pantoffeln noch nicht

01:04:22: recht. Wisse, dass wenn du dich in ihnen

01:04:26: dreimal auf dem Absatz

01:04:29: herumdrehst, so kannst du

01:04:32: hinfliegen, wohin du nur willst.

01:04:36: Und mit dem

01:04:37: Stöcklein kannst du Schätze finden, denn

01:04:41: wo Gold vergraben ist, da wird es

01:04:45: dreimal auf die Erde

01:04:49: schlagen. Bei Silber

01:04:52: zweimal. So träumte der kleine Muck. Als

01:04:56: er aber aufwachte, dachte er über den

01:04:58: wunderbaren Traum nach und beschloß als

01:05:01: bald einen Versuch zu machen. Er zog die

01:05:04: Pantoffeln an, lupfte einen Fuß und

01:05:07: begann sich auf dem Absatz

01:05:09: umzudrehen. Wer es aber jemals versucht

01:05:11: hat, in einem ungeheuer weiten Pantoffel

01:05:14: dieses Kunststück dreimal hintereinander

01:05:16: zu machen, der wird sich nicht wundern,

01:05:19: wenn es dem kleinen Muck nicht gleich

01:05:20: glückte. besonders, wenn man bedenkt,

01:05:24: daß ihn sein schwerer Kopf bald auf

01:05:26: diese, bald auf jene Seite

01:05:30: hinüberzog. Der arme Kleine fiel einige

01:05:32: Mal tüchtig auf die Nase, doch ließ er

01:05:35: sich nicht abschrecken, den Versuch zu

01:05:38: wiederholen und endlich glückte es.

01:05:42: Wie ein Rat fuhr er auf seinem Absatz

01:05:45: herum, wünschte sich in die nächste

01:05:47: große Stadt, und die Pantoffeln ruderten

01:05:51: hinauf in die Lüfte, liefen mit

01:05:54: Windeseile durch die Wolken, und ehe

01:05:57: sich der kleine Muck noch besinnen

01:05:58: konnte, wie ihm geschah, befand er sich

01:06:01: schon auf einem großen Marktplatz, wo

01:06:04: viele Buden aufgeschlagen waren und

01:06:06: unzählige Menschen geschäftig hin und

01:06:09: herliefen.

01:06:11: Er ging unter den Leuten hin und her,

01:06:13: hielt es aber bald für ratsamer, sich in

01:06:15: eine einsamere Straße zu begeben, denn

01:06:18: auf dem Markt trat ihm bald da einer auf

01:06:20: die Pantoffeln, dass er beinahe umfiel.

01:06:23: Bald stieß er mit seinem weit

01:06:25: hinausstehenden Dolch einen oder den

01:06:27: anderen an, daß er mit Mühe den Schlägen

01:06:30: entging. Der kleine Muck bedachte nun

01:06:33: ernstlich, was er wohl anfangen könnte,

01:06:35: um sich ein Stück Geld zu verdienen. Er

01:06:38: hatte zwar ein Stäblein, das ihm

01:06:40: verborgene Schätze anzeigte, aber wo

01:06:42: sollte er gleich einen Platz finden, wo

01:06:44: Gold und Silber vergraben wäre? Auch

01:06:47: hätte er sich zur Not für Geld sehen

01:06:49: lassen können, aber dazu war er doch zu

01:06:51: stolz.

01:06:54: Endlich fiel ihm die Schnelligkeit

01:06:56: seiner Füße ein. Hm,

01:07:00: vielleicht, so dachte er, können mir

01:07:03: meine

01:07:04: Pantoffelnunterheit

01:07:05: gewähren. Und er beschloss, sich als

01:07:08: Schnelläufer zu

01:07:10: verdingen. Da er aber hoffen durfte,

01:07:12: dass der König dieser Stadt solche

01:07:14: Dienste am besten bezahle, so erfragte

01:07:17: er den Palast.

01:07:19: Unter dem Tor des Palastes stand eine

01:07:21: Wache, die ihn fragte, was er hier zu

01:07:23: suchen habe. Auf seine Antwort, dass er

01:07:26: einen Dienst suche, wies man ihn zum

01:07:29: Aufseher der

01:07:30: Sklaven. Diesen trug er sein Anliegen

01:07:33: vor und bat ihn, ihm einen Dienst unter

01:07:36: den königlichen Boten zu

01:07:38: besorgen. Der Aufseher maß ihn mit

01:07:41: seinen Augen von Kopf bis zu den Füßen

01:07:43: und sprach: "Wie? Mit deinen Füßlein,

01:07:47: die kaum so lang als eine Spanne sind,

01:07:50: willst du königlicher Schnelläufer

01:07:52: werden? Hebe dich weg. Ich bin nicht

01:07:55: dazu da, mit jedem Narren Kurzweil zu

01:07:58: machen. Der kleine Muck versicherte ihn

01:08:01: aber, dass es ihm vollkommen ernst sei

01:08:03: mit seinem Antrag und dass er es mit dem

01:08:06: schnellsten auf eine Wette ankommen

01:08:08: lassen wollte. Dem Aufseher kam die

01:08:11: Sache gar lächerlich vor. Er befahl ihm,

01:08:14: sich bis auf den Abend zu einem Wettlauf

01:08:16: bereitzuhalten, führte ihn in die Küche

01:08:19: und sorgte dafür, daß ihm gehörig Speiß

01:08:22: und Trank gereicht wurde. Er selbst aber

01:08:25: begab sich zum König und erzählte ihm

01:08:27: vom kleinen Muck und seinem

01:08:30: Anerbieten. Der König war ein lustiger

01:08:32: Herr, daher gefiel es ihm wohl, dass der

01:08:36: Aufseher der Sklaven den kleinen

01:08:37: Menschen zu einem Spaß behalten habe. Er

01:08:41: befahl ihm, auf einer großen Wiese

01:08:44: hinter dem Schloss Anstalten zu treffen,

01:08:46: dass das Wettlaufen mit Bequemlichkeit

01:08:48: von seinem ganzen Hofstaat könnte

01:08:51: gesehen werden und empfahl ihm nochmals,

01:08:54: große Sorgfalt für den Zwerg zu

01:08:57: haben. Der König erzählte seinen Prinzen

01:09:00: und Prinzessinnen, was sie diesen Abend

01:09:02: für ein Schauspiel haben würden. Diese

01:09:04: erzählten es wieder ihren Dienen. Und

01:09:07: als der Abend herankam, war man in

01:09:09: gespannter Erwartung.

01:09:11: Und alles, was Füße hatte, strömte

01:09:14: hinaus auf die Wiese, wo Gerüste

01:09:16: aufgeschlagen waren, um den großerischen

01:09:20: Zwerg laufen zu

01:09:22: sehen. Als der König und seine Söhne und

01:09:25: Töchter auf dem Gerüst Platz genommen

01:09:27: hatten, trat der kleine Muck heraus auf

01:09:30: die Wiese und machte vor den hohen

01:09:33: Herrschaften eine überausziierliche

01:09:35: Verbeugung.

01:09:37: Ein allgemeines Freudengeschrei ertönte,

01:09:40: als man den Kleinen ansichtig wurde.

01:09:42: Eine solche Figur hatte man dort noch

01:09:45: nie gesehen. Das Körperlein mit dem

01:09:47: mächtigen Kopf, das Männelein und die

01:09:50: weiten Beinkleider, der lange Dolch in

01:09:53: dem breiten Gürtel, die kleinen Füßlein

01:09:56: in den weiten Pantoffeln. Nein, es war

01:10:00: zu drulig anzusehen, als daß man nicht

01:10:03: hätte laut lachen

01:10:05: sollen. Der kleine Muck ließ sich aber

01:10:07: durch das Gelächter nicht irre machen.

01:10:09: Er stellte sich stolz auf sein Stöcklein

01:10:11: gestützt hin und erwartete seinen

01:10:14: Gegner.

01:10:15: Der Aufseher der Sklaven hatte nach

01:10:18: Mucks eigenem Wunsche den besten Läufer

01:10:21: ausgesucht. Dieser trat nun heraus,

01:10:24: stellte sich neben den Kleinen und beide

01:10:27: harrten auf das

01:10:29: Zeichen. Da winkte die Prinzessin am

01:10:31: Marsa, wie es ausgemacht war, mit ihrem

01:10:34: Schleier und wie zwei Pfeile auf

01:10:36: dasselbe Ziel abgeschossen, flogen die

01:10:39: beiden Wettläufer über die Wiese hin.

01:10:42: Von Anfang hatte Mucksgegner einen

01:10:44: bedeutenden Vorsprung, aber diese jagte

01:10:46: ihm auf seinem Pantoffelfuhrwerk nach,

01:10:48: holte ihn ein, überfing ihn und stand

01:10:52: längst am Ziele, als jener noch nach

01:10:54: Luft schnappend

01:10:56: daherlief. Verwunderung und Staunen

01:10:58: fesselte eine Augenblicke die Zuschauer.

01:11:01: Als aber der König zuerst in die Hände

01:11:03: klatschte, da jauchzte die Menge und

01:11:06: alle riefen: "Hoch lebe der kleine Muck,

01:11:10: der Sieger im Bettlauf.

01:11:13: Man hatte in desin kleine Muck

01:11:15: herbeigebracht. Er warf sich vor dem

01:11:16: König nieder und sprach:

01:11:19: "Großmächtigster König, ich habe dir

01:11:21: hier nur eine kleine Probe meiner Kunst

01:11:24: gegeben. Wolle nur gestatten, dass man

01:11:27: mir eine Stelle unter deinen Läufern

01:11:29: gebe." Der König aber antwortete ihm:

01:11:33: "Nein, du sollst mein

01:11:36: Leibläufer und immer um meine Person

01:11:39: sein, lieber Muck.

01:11:42: Jährlich sollst du hundert Goldstücke

01:11:44: erhalten als Lohn und an der Tafel

01:11:48: meiner ersten Diener sollst du

01:11:52: speisen. So glaubte den Muck endlich das

01:11:54: Glück gefunden zu haben, dass er so

01:11:57: lange suchte und war fröhlich und

01:11:59: wohlgemut in seinem Herzen. Auch

01:12:02: erfreute er sich der besonderen Gnade

01:12:04: des Königs, denn dieser gebrauchte ihn

01:12:06: zu seinen schnellsten und geheimsten

01:12:08: Sendungen, die er dann mit der größten

01:12:11: Genauigkeit und mit unbegreiflicher

01:12:13: Schnelle besorgte.

01:12:16: Aber die übrigen Diener des Königs waren

01:12:19: ihm gar nicht zugetan, weil sie sich

01:12:22: ungern durch einen Zwerg, der nichts

01:12:23: verstand als schnell zu laufen, in der

01:12:26: Gunst ihres Herren zurückgesetzt sahen.

01:12:30: Sie veranstalteten daher manche

01:12:31: Verschwörung gegen ihn, um ihn zu

01:12:34: stürzen, aber alle schlugen fehl an dem

01:12:36: großen Zutrauen, dass der König in

01:12:39: seinen geheimen

01:12:40: Oberleibläufer, denn zu dieser Würde

01:12:43: hatte er es in so kurzer Zeit gebracht,

01:12:46: setzte. Muck, dem diese Bewegungen gegen

01:12:49: ihn nicht entgingen, sann nicht auf

01:12:51: Rache. Dazu hatte er ein zu gutes Herz.

01:12:55: Nein, auf Mittel dachte er, sich bei

01:12:58: seinen Feinden notwendig und beliebt zu

01:13:02: machen. Da fiel ihm sein Stäplein, das

01:13:05: er in seinem Glück außer Acht gelassen

01:13:07: hatte, ein. Wenn er Schätze finde,

01:13:09: dachte er, werden ihm die Herren schon

01:13:12: geneigter werden. Er hatte schon oft

01:13:14: gehört, daß der Vater des jetzigen

01:13:16: Königs viele seiner Schätze vergraben

01:13:19: habe, als der Feind sein Land

01:13:21: überfallen. Man sagte auch, er sei

01:13:24: darüber gestorben, ohne dass er sein

01:13:26: Geheimnis habe seinem Sohn mitteilen

01:13:28: können. Von nun an nahm Muck immer sein

01:13:32: Stöcklein mit, in der Hoffnung, einmal

01:13:35: an einem Ort vorüberzugehen, wo das Gold

01:13:38: des alten Königs vergraben

01:13:41: sei. Eines Abends führte ihn der Zufall

01:13:44: in einen entlegenen Teil des

01:13:46: Schlosskartens, den er wenig besuchte,

01:13:49: und plötzlich fühlte er das Stärplein in

01:13:52: seiner Hand zucken und dreimal schlug es

01:13:55: gegen den Boden. Nun wußte er schon, was

01:13:57: dies zu bedeuten hatte. Er zog daher

01:14:00: seinen Dolch heraus, machte Zeichen in

01:14:03: die umstehenden Bäume und schlich sich

01:14:06: wieder in das Schloss. Dort verschaffte

01:14:08: er sich einen Sparten und wartete die

01:14:11: Nacht zu seinem Unternehmen

01:14:13: ab. Das Schatzgraben selbst machte

01:14:16: übrigens dem kleinen Muck mehr zu

01:14:18: schaffen, als er geglaubt hatte. Seine

01:14:21: Arme waren g schwach, sein Sparten aber

01:14:24: groß und schwer, und er mochte wohl

01:14:26: schon zwei Stunden gearbeitet haben, ehe

01:14:29: er ein Parfuß tief gegraben

01:14:32: hatte. Endlich stieß er auf etwas

01:14:36: Hartes, das wie Eisen klang.

01:14:39: Er grub jetzt emsiger und bald hatte er

01:14:43: einen großen eisernen Deckel zutage

01:14:46: gefördert. Er stieg selbst in die Grube

01:14:49: hinab, um

01:14:50: nachzuspähen, was wohl der Deckel könnte

01:14:53: bedeckt haben, und fand richtig einen

01:14:56: großen Topf mit Goldstücken

01:15:00: angefüllt, aber seine schwachen Kräfte

01:15:02: reichten nicht hin, den Topf zu heben.

01:15:06: steckte er in seine Beinkleider und

01:15:07: seinen Gürtel, so viel er zu tragen

01:15:09: vermochte, und auch sein Mäntelein

01:15:11: füllte er damit, bedeckte das Übrige

01:15:14: wieder sorgfältig und

01:15:17: locken. Aber wahrlich, wenn er die

01:15:19: Pantoffel nicht an den Füßen gehabt

01:15:21: hätte, er wäre nicht vom Fleck gekommen,

01:15:23: so zog ihn die Last des Goldes nieder.

01:15:27: Doch unbemerkt kam er bis auf sein

01:15:29: Zimmer und verwahrte dort sein Gold

01:15:32: unter den Polstern seines Sofas.

01:15:36: Als der kleine Muck sich im Besitz so

01:15:39: vielen Goldes sah, glaubte er, das Blatt

01:15:42: werde sich jetzt wenden und er werde

01:15:45: sich unter seinen Feinden am Hof viele

01:15:47: Gönner und warme Anhänger

01:15:50: erwerben. Aber schon daran konnte man

01:15:52: erkennen, dass der gute Muck keine gar

01:15:54: sorgfältige Erziehung genossen haben

01:15:56: musste, sonst hätte er sich wohl nicht

01:15:58: einbilden können, durch Gold wahre

01:16:02: Freunde zu

01:16:03: gewinnen. Ach, dass er damals seine

01:16:05: Pantoffeln geschmiert und sich mit

01:16:07: seinem Mäntelein voll Gold aus dem Staub

01:16:09: gemacht

01:16:10: hätte. Das Gold, das der kleine Muck von

01:16:13: jetzt an mit vollen Händen

01:16:15: austeilte, erweckte den Neid der übrigen

01:16:19: Hofbedienten. Küchenmeister Ahuli sagte,

01:16:23: er ist ein

01:16:24: Falschmünzer. Der Sklavufseher Ahmed

01:16:27: sagte, er hat's dem König abgeschwatzt.

01:16:31: Arschas, der Schatzmeister, aber sein

01:16:33: ärgster Feind, der selbst hier und da

01:16:35: einen Griff in des Königs Kasse tun

01:16:37: mochte, sagte geradezu: "Er hat's

01:16:43: gestohlen." Um nun ihrer Sache gewiss zu

01:16:45: sein, verabredeten sie sich, und der

01:16:48: Ober Mundschenk Kurchus stellte sich

01:16:52: eines Tages recht traurig und

01:16:53: niedergeschlagen vor die Augen des

01:16:55: Königs. Er machte seine traurigen

01:16:58: Gebärden so auffallend, dass ihn der

01:17:00: König fragte, was ihm fehle. "Ach",

01:17:04: antwortete er, "ich bin

01:17:07: traurig, dass ich die Gnade meines Herrn

01:17:11: verloren

01:17:12: habe." "Was vorbelst du, Freund

01:17:16: Couros?", entgegnete ihm der

01:17:18: König. "Seit wann hätte ich die Sonne

01:17:22: meiner

01:17:23: Gnade nicht über dich leuchten lassen?

01:17:27: Der Obermundschenk antwortete ihm, dass

01:17:30: er den geheimen Oberleibläufer mit Gold

01:17:33: belade, seinen armen treuen Dienen aber

01:17:36: nichts

01:17:37: gebe. Der König war sehr erstaunt über

01:17:40: diese Nachricht, ließ sich die

01:17:41: Goldausteilungen des kleinen Muck

01:17:43: erzählen und die Verschworen brachten

01:17:46: ihm leicht den Verdacht bei, dass Muck

01:17:48: auf irgendeine Art das Geld aus der

01:17:51: Schatzkammer gestohlen habe.

01:17:54: Sehr lieb war diese Wendung der Sache

01:17:55: dem Schatzmeister, der ohnehin nicht

01:17:57: gerne Rechnung ablegte.

01:18:00: Der König gab daher den Befehl, heimlich

01:18:02: auf alle Schritte des kleinen Muckacht

01:18:04: zu geben, um ihn womöglich auf der Tat

01:18:08: zu

01:18:09: ertappen. Als nun in der Nacht, die auf

01:18:12: diesen Unglückstag folgte, der kleine

01:18:14: Muck, der durch seine Freigebkeit um

01:18:16: seine Kasse sehr erschöpft sah, den

01:18:19: Sparten nahm und in den Schlossgarten

01:18:21: schlich, um dort von seinem geheimen

01:18:23: Schatze neuen Vorrat zu holen, folgten

01:18:27: ihm von weitem die Wachen, von dem

01:18:29: Küchenmeister Ahli und Archas, dem

01:18:32: Schatzmeister, angeführt und in dem

01:18:34: Augenblick, da das Gold aus dem Topf in

01:18:37: sein Mäntelein legen wollte,

01:18:40: fielen sie über ihn her, banden ihn und

01:18:43: führten ihn sogleich vor den

01:18:46: König. Dieser, denin die Unterbrechung

01:18:49: seines Schlafes mürrisch gemacht hatte,

01:18:51: empfing seinen armen geheimen

01:18:54: Oberleibläufer sehr ungnädig und stellte

01:18:57: sogleich das Verhör über ihn an. Man

01:19:00: hatte den Topf vollend aus der Erde

01:19:02: gegraben und mit dem Sparten und dem

01:19:05: Mäntelein voll Gold vor die Füße des

01:19:07: Königs gesetzt.

01:19:09: Der Schatzmeister sagte aus, daß er mit

01:19:11: seinen Wachen den Muck überrascht habe,

01:19:14: wie er diesen Topf mit Gold gerade in

01:19:16: die Erde gegraben

01:19:18: habe. Der König befragte hierauf den

01:19:20: Angeklagten, ob es wahr sei und woher er

01:19:23: das Gold, das er vergraben, bekommen

01:19:26: habe. Der kleine Muck im Gefühl seiner

01:19:29: Unschuld sagte aus, dass er diesen Topf

01:19:32: im Garten entdeckt habe, dass er ihn

01:19:35: habe nicht ein, sondern ausgraben

01:19:39: wollen. Alle Anwesenden lachten laut

01:19:41: über diese Entschuldigung. Der König

01:19:44: aber, aufs Höchste erzirend über die

01:19:46: vermeintliche Frechheit des Kleinen,

01:19:48: rief aus: "Wie, du

01:19:51: Elender, du willst deinen König so dumm

01:19:54: und schändlich belügen, nachdem du ihn

01:19:58: bestohlen hast."

01:20:00: Schatzmeister Archas, ich fordere dich

01:20:03: auf zu sagen, ob du diese Summe Goldes

01:20:07: für die nämliche erkennst, die in meinem

01:20:11: Schatze

01:20:13: fehlt. Der Schatzmeister aber

01:20:15: antwortete: Er sei seiner Sache ganz

01:20:18: gewiss. So viel und noch mehr fiele seit

01:20:20: einiger Zeit in dem königlichen Schatz.

01:20:23: und er könnte einen Eid darauf ablegen,

01:20:25: daß dies das Gestohlene sei. Da befahl

01:20:29: der König, den kleinen Muck in enge

01:20:31: Ketten zu legen und in den Turm zu

01:20:34: führen. Dem Schatzmeister aber übergab

01:20:38: er das Gold, um es wieder in den Schatz

01:20:40: zu tragen. Vergnügt über den glücklichen

01:20:42: Ausgang der Sache zog dieser ab und

01:20:46: zählte zu Hause die blinkenden

01:20:48: Goldstücke. Aber das hat dieser

01:20:51: schlechte Mann niemals

01:20:53: angezeigt, dass unten in dem Topf ein

01:20:57: Zettel lag, der

01:20:59: sagte: "Der Feind hat mein Land

01:21:03: überschwemmt, daher verberge ich hier

01:21:06: einen Teil meiner

01:21:08: Schätze. Wer es auch finden mag, den

01:21:11: Treffe der Fluch seines

01:21:14: Königs, wenn er es nicht so gleich

01:21:16: meinem Sohne

01:21:18: ausliefert, König

01:21:21: Sadi. Der kleine Muck stellte in seinem

01:21:24: Kerker traurige Betrachtungen an. Er

01:21:26: wusste, dass auf Diebstahl an

01:21:28: königlichen Sachen der Tod gesetzt war.

01:21:31: Und doch mochte er das Geheimnis mit dem

01:21:32: Stäbchen dem König nicht verraten, weil

01:21:35: er mit Recht fürchtete, dieses und seine

01:21:38: Pantoffeln beraubt zu

01:21:40: werden. Seine Pantoffeln konnten ihm

01:21:42: leider auch keine Hilfe bringen, denn da

01:21:44: er in engen Ketten an die Mauer

01:21:46: geschlossen war, konnte er, so sehr sich

01:21:49: quälte, sich nicht auf dem Absatz

01:21:52: umdrehen. Als ihm aber am anderen Tage

01:21:54: seinen Tod angekündigt wurde, dachte er

01:21:58: doch, es sei besser, ohne das

01:22:00: Zauberstäbchen zu leben, als mit ihm zu

01:22:04: sterben, ließ den König um geheimes

01:22:06: Gehör bitten und entdeckte ihm das

01:22:09: Geheimnis.

01:22:11: Der König maß von Anfang seinem

01:22:13: Geständnis keinen Glauben bei, aber der

01:22:16: kleine Muck versprach eine Probe, wenn

01:22:19: ihm der König

01:22:21: zugestünde, dass er nicht getötet werden

01:22:23: solle.

01:22:25: Der König gab ihm sein Wort darauf und

01:22:28: ließ von Muck ungesehen einiges Gold in

01:22:30: die Erde graben und befahl diesem mit

01:22:33: seinem Stäbchen zu

01:22:35: suchen. In wenigen Augenblicken hatte er

01:22:37: es gefunden, denn das Stäbchen schlug

01:22:40: deutlich dreimal auf die Erde. Da merkte

01:22:43: der König, dass ihn sein Schatzmeister

01:22:46: betrogen hatte und sandte ihm, wie es im

01:22:49: Morgenland gebräuchlich ist, eine

01:22:51: seidene Schnur, damit er sich selbst

01:22:55: erdrossle. Zum kleinen Muck aber sprach

01:22:58: er: "Ich habe dir zwar dein Leben

01:23:02: versprochen, aber es scheint mir, als ob

01:23:05: du nicht nur allein dieses Geheimnis mit

01:23:08: dem Stäbchen besitzest.

01:23:11: Darum bleibst du in ewiger

01:23:14: Gefangenschaft, wenn du nicht

01:23:16: gestehst, was für eine Bewandnis es mit

01:23:20: deinem Schnelllaufen

01:23:23: hat. Der kleine Muck, den die einzige

01:23:26: Nacht im Torm alle Lust zu längerer

01:23:28: Gefangenschaft benommen hatte, bekannte,

01:23:30: dass seine ganze Kunst in den Pantoffeln

01:23:33: liege, doch lehrte er den König nicht

01:23:35: das Geheimnis von dem dreimaligen

01:23:38: Umdrehen auf dem Absatz.

01:23:41: Der König schlüpfte selbst in die

01:23:42: Pantoffel, um die Probe zu machen, und

01:23:45: jagte wie unsinnig im Garten umher. Oft

01:23:48: wollte er anhalten, aber er wusste

01:23:50: nicht, wie man die Pantoffeln zum Stehen

01:23:53: brachte. Und der kleine Muck, der diese

01:23:56: kleine Rache sich nicht versagen konnte,

01:23:59: ließ ihn laufen, bis er ohnmächtig

01:24:03: niederfiel. Als der König wieder zur

01:24:05: Besinnung zurückgekehrt war, war er

01:24:07: schrecklich aufgebracht über den kleinen

01:24:09: Muck.

01:24:10: der ihn so ganz außer Atem hatte laufen

01:24:13: lassen. Ich habe dir mein Wort gegeben,

01:24:17: dir Freiheit und Leben zu schenken. Aber

01:24:20: innerhalb 12 Stunden musst du mein Land

01:24:24: verlassen haben, sonst lasse ich dich

01:24:28: aufknüpfen. Die Pantoffeln und das

01:24:30: Stäbchen aber ließ er in seine

01:24:32: Schatzkammer

01:24:34: legen. So arm als je wanderte der kleine

01:24:37: Muck zum Land hinaus. seine Torheit

01:24:40: verwünschend, die ihm vorgespiegelt

01:24:42: habe, er könne eine bedeutende Rolle am

01:24:45: Hofe

01:24:46: spielen. Das Land, aus dem er gejagt

01:24:48: wurde, war zum Glück nicht groß. Daher

01:24:52: war er schon nach 8 Stunden auf der

01:24:54: Grenze. Obgleich ihm das gehen, da er an

01:24:56: seine lieben Pantoffeln gewöhnt war,

01:24:58: sehr sauer ankam.

01:25:01: Als er über der Grenze war, verließ er

01:25:04: die gewöhnliche Straße, um die dichteste

01:25:07: Einöde der Wälder aufzusuchen und dort

01:25:10: nur sicht zu leben, denn er war allen

01:25:13: Menschen

01:25:15: Kram. In einem dichten Walde traf er auf

01:25:18: einen Platz, der ihm zu dem Entschluss,

01:25:21: den er gefasst hatte, ganz tauglich

01:25:23: schien. Ein klarer Bach von großen

01:25:26: schattigen Feigenbäumen umgeben, ein

01:25:29: weicher Rasen luden ihn ein. Hier warf

01:25:33: er sich nieder mit dem Entschluss, keine

01:25:37: Speise mehr zu sich zu nehmen, sondern

01:25:40: hier den Tod zu

01:25:42: erwarten. Über traurige

01:25:43: Todesbetrachtungen schlief er ein.

01:25:47: Als er aber wieder aufwachte und der

01:25:49: Hunger ihn zu quälen anfing, bedachte er

01:25:52: doch, daß der Hungertod eine gefährliche

01:25:56: Sache sei und sah sich um, ob er

01:25:58: nirgends etwas zu essen bekommen

01:26:01: könnte. Köstliche reife Feigen hingen an

01:26:04: dem Baume, unter welchem er geschlafen

01:26:06: hatte. Er stieg hinauf, um sich einige

01:26:09: zu pflücken, ließ es sich trefflich

01:26:12: schmecken und ging dann hinunter an den

01:26:15: Bach. um seinen Durst zu

01:26:18: löschen. Aber wie groß war sein

01:26:20: Schrecken, als ihm das Wasser seinen

01:26:24: Kopf mit zwei gewaltigen Ohren und einer

01:26:28: dicken langen Nase geschmückt

01:26:30: zeigte. Bestürzt griff er mit den Händen

01:26:33: nach den Ohren und wirklich, sie waren

01:26:36: über eine halbe Elle lang. "Ich verdiene

01:26:40: Esels Ohren", rief er aus.

01:26:43: denn ich habe mein Glück wie ein Esel

01:26:46: mit Füßen

01:26:48: getreten. Er wandelte nun den Bäumen

01:26:51: umher und als er wieder Hunger fühlte,

01:26:54: musste er noch einmal zu den Feigen

01:26:56: seine Zuflucht nehmen, denn sonst fand

01:26:59: er nichts essbares an den

01:27:01: Bäumen. Als sie ihm über der zweiten

01:27:03: Portion Feigen einfiel, obwohl seine

01:27:06: Ohren nicht unter seinem großen

01:27:08: Turbannplatz hätten, damit er doch nicht

01:27:10: gar so lächerlich ausseähe, fühlte er,

01:27:14: dass seine Ohren verschwunden

01:27:16: sein. Er lief gleich an den Bach zurück,

01:27:19: um sich davon zu überzeugen. Und

01:27:21: wirklich, es war so. Seine Ohren hatten

01:27:24: ihre vorige Gestalt, seine lange,

01:27:28: unfirmliche Nase war nicht mehr. Jetzt

01:27:31: merkte er aber, wie dies gekommen war.

01:27:34: Von dem ersten feigen Baum hatte er die

01:27:37: lange Nase und Ohren bekommen. Der

01:27:40: zweite hatte ihn

01:27:42: geheilt. Freudig erkannte er, dass ein

01:27:45: gütiges Geschick ihm noch einmal die

01:27:47: Mittel in die Hand gebe, glücklich zu

01:27:49: sein. Er pflückte, da er von jedem Baum

01:27:52: so viel er tragen konnte und ging in das

01:27:54: Land zurück, dass er vor kurzem

01:27:57: verlassen hatte.

01:27:58: Dort machte er sich in dem ersten

01:28:00: Städtchen durch andere Kleider ganz

01:28:03: unkenntlich und ging dann weiter auf die

01:28:06: Stadt zu, die jener König bewohnte, und

01:28:09: kam auch bald dort an.

01:28:12: Es war gerade zu einer Jahreszeit, wo

01:28:14: reife Früchte noch ziemlich selten

01:28:16: waren. Der kleine Muck setzte sich daher

01:28:19: unter das Tor des Palastes, denn ihr war

01:28:22: von früherer Zeit her wohl bekannt, dass

01:28:24: ihr solche Seltenheiten von dem

01:28:26: Küchenmeister für die königliche Tafel

01:28:28: eingekauft

01:28:29: worden. Muck hatte noch nicht lange

01:28:31: gesessen, als er den Küchenmeister über

01:28:34: den Hof herüberschritten sah.

01:28:37: ermusterte die Waren der Verkäufer, die

01:28:39: sie am Tor des Palastes eingefunden

01:28:41: hatten. Endlich fiel sein Blick auch auf

01:28:45: Muckskörbchen. "Ah ein seltener Bissen",

01:28:50: sagte er, "direko Majestät gewiss

01:28:54: behagen wird. Was willst du für den

01:28:57: ganzen

01:28:59: Korb?" Der kleine Muck bestimmte einen

01:29:01: mäßigen Preis und sie waren bald des

01:29:04: Handels einig.

01:29:06: Der Küchenmeister übergab den Korb einen

01:29:08: Sklaven und ging weiter. Der kleine Muck

01:29:11: aber machte sich einstweilen aus dem

01:29:13: Staub, weil er befürchtete, wenn sich

01:29:16: das Unglück an den Köpfen des Hofes

01:29:19: zeige, möchte man ihn als Verkäufer

01:29:21: aufsuchen und

01:29:23: bestrafen. Der König war über Tisch um

01:29:26: sehr heiter gestimmt und sagte seinem

01:29:28: Küchenmeister einmal über das andere

01:29:30: Lobsprüche wegen seiner guten Küche und

01:29:33: der Sorgfalt, mit der immer das Seltste

01:29:35: für ihn aussuche. Der Küchenmeister,

01:29:38: aber, welcher wohl wusste, welchen

01:29:40: Leckerbissen er noch im Hintergrund

01:29:42: habe, schmunzelte gar freundlich und

01:29:45: ließ nur einzelne Worte fallen als es

01:29:49: ist erst noch nicht aller Tage

01:29:52: Abend oder Ende gut, alles gut. sodass

01:29:57: die Prinzessinnen sehr neugierig wurden,

01:30:00: was er wohl noch bringen werde. Als er

01:30:03: aber die schönen einladenden Feigen

01:30:05: aufsetzen ließ, da entfloh ein

01:30:07: allgemeines A dem Munde der Anwesenden.

01:30:11: "Wie reif! Wie

01:30:13: appetitlich!", rief der König.

01:30:17: Küchenmeister, du bist ein ganzer Kerl

01:30:20: und verdienst unsere ganz besondere

01:30:24: Gnade." Also sprechend teilte der König,

01:30:27: der mit solchen Leckerbissen sehr

01:30:29: sparsam zu sein pflegte, mit eigener

01:30:31: Hand die Feigen an seiner Tafel aus.

01:30:34: Jeder Prinz und jede Prinzessin bekamen

01:30:37: zwei, die Hofdamen und die Visiere und

01:30:40: Agas eine. Die Übrigen stellte er vor

01:30:43: sich hin und begann mit großem Behagen

01:30:46: sie zu

01:30:48: verschlingen. "Ach lieber Gott, wie

01:30:51: siehst du so wunderlich aus, Vater?"

01:30:53: rief auf einmal die Prinzessin

01:30:56: Armasa. Alle sahen den König erstaunt

01:30:59: an. Ungeheure Ohren hingen ihm am Kopf.

01:31:04: Eine lange Nase zog sich über sein Kinn

01:31:07: herunter.

01:31:09: Auch sich selbst betrachteten sie

01:31:10: untereinander mit Staunen und Schrecken.

01:31:13: Alle waren mehr oder minder mit dem

01:31:16: sonderbaren Kopfputz

01:31:18: geschmückt. Man denke sich den Schrecken

01:31:21: des Hofes. Man schickte sogleich nach

01:31:23: allen Ärzten der Stadt. Sie kamen

01:31:26: haufenweise, verordneten Pillen und

01:31:29: Mixturen, aber die Ohren und die Nasen

01:31:32: blieben. Man operierte einen der

01:31:35: Prinzen, aber die Ohren wuchsen nach.

01:31:40: Muck hatte die ganze Geschichte in

01:31:41: seinem Versteck, wohin er sich

01:31:43: zurückgezogen hatte, gehört und

01:31:45: erkannte, dass es jetzt Zeit sei zu

01:31:48: handeln. Er hatte sich schon vorher von

01:31:51: dem aus den feigen gelösten Geld einen

01:31:53: Anzug verschafft, der ihn als Gelehrten

01:31:56: darstellen konnte. Ein langer Bart aus

01:31:59: Ziegenhaaren vollendete die Täuschung.

01:32:02: Mit einem Säckchen voll Feigen wanderte

01:32:05: er in den Palast des Königs und bot als

01:32:08: fremder Arzt seine Hilfe an. Man war von

01:32:12: Anfang sehr

01:32:14: ungläubig, als aber der kleine Muckane

01:32:16: Feige einem der Prinzen zu essen gab und

01:32:20: Ohren und Nase dadurch in den alten

01:32:23: Zustand zurückbrachte.

01:32:25: Da wollte alles von dem fremden Arzt

01:32:28: geheilt sein. Aber der König nahm ihn

01:32:31: schweigend bei der Hand und führte ihnen

01:32:34: sein Gemar. Dort schloss er seine Türe

01:32:38: auf, die ihn in die Schatzkammer führte

01:32:41: und winkte Muck ihm zu

01:32:43: folgen. "Hier sind meine Schätze",

01:32:46: sprach der König.

01:32:48: Wähle dir, was es auch sei. Es soll dir

01:32:51: gewährt werden, wenn du mich von diesem

01:32:54: schmachvollen Übel

01:32:56: befreist. Das war süße Musik in des

01:32:59: kleinen Mucks Ohren. Er hatte gleich

01:33:02: beim Eintritt seine Pantoffeln auf dem

01:33:05: Boden stehen sehen. Gleich daneben lag

01:33:07: auch sein

01:33:08: Stäbchen. Er ging nun umher in dem Saal,

01:33:12: wie wenn er die Schätze des Königs

01:33:13: bewundern wollte. Kaum aber war er an

01:33:17: seine Pantoffeln gekommen, so schlüpfte

01:33:19: er eilend hinein, er griff sein

01:33:22: Stäbchen, riß seinen falschen Bart herab

01:33:25: und zeigte dem erstaunten König das

01:33:27: wohlbekannte Gesicht seines verstoßenen

01:33:30: Muck.

01:33:31: Treuloser König, sprach er, der du treue

01:33:35: Dienste mit Undank lohnst, nimm als

01:33:39: wohlverdiente Strafe die Missgestalt,

01:33:43: die du trägst. Die Ohren lasse ich dir

01:33:47: zurück, damit sie dich täglich erinnern

01:33:50: an den kleinen Muck.

01:33:54: Als er so gesprochen hatte, drehte er

01:33:56: sich schnell auf dem Absatz herum,

01:33:59: wünschte sich weit hinweg und ehe noch

01:34:02: der König um Hilfe rufen konnte, war der

01:34:04: kleine Muck

01:34:06: entflohen. Seitdem lebt der Kleine hier

01:34:09: in großem

01:34:10: Wohlstand, aber einsam, denn er

01:34:14: verachtet die

01:34:16: Menschen. Er ist durch Erfahrung ein

01:34:19: weiser Mann

01:34:21: geworden, welcher wennnoch sein Äußeres

01:34:24: etwas Auffallendes haben

01:34:26: mag, deine

01:34:29: Bewunderung mehr als deinen Spott

01:34:31: verdient.

01:34:34: So erzählte mir mein

01:34:36: Vater. Ich bezeugte ihm meine Reue über

01:34:38: mein rohes Betragen gegen den guten

01:34:40: kleinen Mann und mein Vater schenkte mir

01:34:43: die andere Hälfte der Strafe, die er mir

01:34:46: zugedacht

01:34:47: hatte. Ich erzählte meinen Kameraden die

01:34:50: wunderbaren Schicksale des Kleinen, und

01:34:54: wir gewannen ihn so lieb, dass ihn

01:34:57: keiner mehr

01:34:58: schimpfte. Im

01:35:00: Gegenteil, wir errten ihn.

01:35:03: solange er

01:35:05: lebte und haben uns vor ihm immer so

01:35:09: tief als vor Kadi und Mufti

01:35:17: gebückt. Die Geschichte von der

01:35:27: Abgehauen Ich bin in Konstantinopel

01:35:30: geboren. Mein Vater war ein Dolmetscher

01:35:33: am türkischen Hof und triebi einen

01:35:36: ziemlich einträglichen Handel mit

01:35:38: wohlriechenden Essenzen und seiden

01:35:41: Stoffen. Er gab mir eine gute Erziehung,

01:35:44: indem er mich teils selbst

01:35:45: unterrichtete, teils von einem unserer

01:35:48: Brester mir Unterricht geben ließ.

01:35:50: Er bestimmte mich anfangs, seinen Laden

01:35:53: einmal zu übernehmen. Als ich aber

01:35:55: größere Fähigkeiten zeigte, als er

01:35:57: erwartet hatte, bestimmte er mich auf

01:36:00: das Anraten seiner Freunde zum Arzt.

01:36:02: Weil ein Arzt, wenn er etwas mehr

01:36:05: gelernt hat, als die gewöhnlichen

01:36:07: Marktschreier in Konstantinopel sein

01:36:09: Glück machen kann.

01:36:11: Es kamen viele Franken in unser Haus und

01:36:14: einer davon überredete meinen Vater,

01:36:16: mich in sein Vaterland nach der Stadt

01:36:19: Paris reisen zu lassen, wo man solche

01:36:21: Sachen unentgeltlich und am besten

01:36:23: lernen könne. Er selbst aber wolle mich,

01:36:26: wenn er zurückreise, umsonst

01:36:28: mitnehmen. Mein Vater, der in seiner

01:36:31: Jugend auch gereist war, schlug ein und

01:36:34: der Franke sagte mir, ich könne mich in

01:36:36: drei Monaten

01:36:38: bereihalten. Ich war außer mir vor

01:36:40: Freuden, fremde Länder zu sehen und

01:36:43: konnte den Augenblick nicht erwarten, wo

01:36:45: wir uns einschiffen würden. Der Franke

01:36:48: hatte endlich seine Geschäfte abgemacht

01:36:50: und sich zur Reise bereitet. Am Vorabend

01:36:53: der Reise führte mich mein Vater in sein

01:36:56: Schlafkämmerlein. Dort sah ich schöne

01:36:58: Kleider und Waffen auf dem Tische

01:37:00: liegen. Was meine Blicke aber noch mehr

01:37:03: anzog, war ein großer Haufe Goldes, denn

01:37:07: ich hatte noch nie so viel beieinander

01:37:09: gesehen. Mein Vater umarmte mich dort

01:37:11: und sagte: "Siehe, meinen Sohn, ich habe

01:37:15: dir Kleider zu der Reise besorgt.

01:37:18: Jene Waffen sind dein. Es sind die

01:37:21: nämlichen, die mir dein Großvater

01:37:23: umhingen, als ich in die Fremde

01:37:26: auszog. Ich weiß, du kannst sie führen.

01:37:30: Gebrauche sie aber nie, als wenn du

01:37:33: angegriffen wirst, dann aber schlage

01:37:36: auch tüchtig drauf. Mein Vermögen ist

01:37:39: nicht groß.

01:37:41: Siehe, ich habe es in drei Teile geteilt

01:37:44: und einer davon ist dein. Einer davon

01:37:48: sei mein Unterhalt und

01:37:50: Notpfennig. Der Dritte aber sei mir ein

01:37:53: heiliges, unantastbares Gut. Er diene

01:37:58: dir in der Stunde der Not.

01:38:00: So sprach mein alter Vater und Tränen

01:38:03: hingen ihm im Auge. Vielleicht aus

01:38:06: Ahnung, denn ich habe ihn nie

01:38:09: wiedergesehen. Die Reise ging gut von

01:38:12: Statten. Wir waren bald im Lande der

01:38:14: Franken angelangt und sechs Tagreisen

01:38:16: herach kamen wir in die große Stadt

01:38:19: Paris.

01:38:20: Hier mietete mir mein fränkischer Freund

01:38:22: ein Zimmer und riet mir, mein Geld, das

01:38:25: in allem Zweitausend Taler betrug,

01:38:27: vorsichtig

01:38:29: anzuwenden. Ich lebte drei Jahre in

01:38:31: dieser Stadt und lernte, was ein

01:38:33: tüchtiger Arzt wissen muss. Ich müsste

01:38:35: aber lügen, wenn ich sagte, dass ich

01:38:37: gerne dort gewesen sei, denn die Sitten

01:38:40: dieses Volkes gefielen mir nicht. Auch

01:38:42: hatte ich nur wenige gute Freunde dort.

01:38:45: Diese aber waren edle junge Männer.

01:38:48: Die Sehnsucht nach der Heimat wurde

01:38:50: endlich mächtig in mir. In der ganzen

01:38:52: Zeit hatte ich nichts von meinem Vater

01:38:54: gehört und ich ergriff daher eine

01:38:56: günstige Gelegenheit nach Hause zu

01:38:58: kommen. Es ging nämlich eine

01:39:00: Gesandschaft aus Frankenland an den

01:39:02: türkischen Hof. Ich verdang mich als

01:39:05: Wundarzt in das Gefolge des Gesandten

01:39:08: und kam glücklich wieder nach Stanul.

01:39:11: Das Haus meines Vaters aber fand ich

01:39:15: verschlossen, und die Nachbarn staunten,

01:39:17: als sie mich sahen, sagten mir: "Mein

01:39:20: Vater sei vor zwei Monaten

01:39:22: gestorben." Jener Priester, der mich in

01:39:25: meiner Jugend unterrichtet hatte,

01:39:27: brachte mir den Schlüssel allein und

01:39:30: verlassen zog ich in das verödete Haus

01:39:32: ein. Ich fand noch alles, wie es mein

01:39:35: Vater verlassen hatte. Nur das Gold, das

01:39:38: er mir zu hinterlassen versprach,

01:39:40: fehlte. Ich fragte den Priester danach

01:39:43: und dieser verneigte sich und sprach:

01:39:46: "Euer Vater ist als ein heiliger Mann

01:39:50: gestorben, denn er hat seinen Gold der

01:39:52: Kirche

01:39:54: vermacht." Dies war und blieb mir

01:39:57: unbegreiflich. Doch was wollte ich

01:39:59: machen? Ich hatte keine Zeugen gegen den

01:40:01: Priester und musste froh sein, dass er

01:40:03: nicht auch das Haus und die Waren meines

01:40:05: Vaters als Vermächtnis angesehen hatte.

01:40:09: Dies war das erste Unglück, das mich

01:40:11: traf. Von jetzt an aber kam es Schlag

01:40:15: auf Schlag.

01:40:16: Mein Ruf als Arzt wollte sich gar nicht

01:40:19: ausbreiten, weil ich mich schämte, den

01:40:21: Marktschreier zu machen. Und überall

01:40:23: fehlte mir die Empfehlung meines Vaters,

01:40:26: der mich bei den reichsten und

01:40:27: vornehmsten eingeführt hätte, die jetzt

01:40:29: nicht mehr an den armen Zaloikos

01:40:32: dachten. Auch die Waren meines Vaters

01:40:34: fanden keinen Abgang, denn die Kunden

01:40:37: hatten sich nach seinem Tode verlaufen,

01:40:39: und neue bekommt man nur langsam.

01:40:42: Als ich einst trostlos über meine Lage

01:40:44: nachdachte, fiel mir ein, daß ich oft in

01:40:47: Franken Männer meines Volkes gesehen

01:40:49: hatte, die das Land durchzogen und ihre

01:40:52: Waren auf den Märkten der Städte

01:40:54: auslegten. Ich erinnerte mich, dass man

01:40:57: ihnen gerne abkaufte, weil sie aus der

01:40:59: Fremde kamen und dass man bei solchem

01:41:02: Handel das Hundertfache erwerben könne.

01:41:04: Sogleich war auch mein Entschluss

01:41:06: gefasst. Ich verkaufte mein väterliches

01:41:09: Haus, gab einen Teil des gelösten

01:41:11: Geldes, einem bewährten Freunde zum

01:41:14: Aufbewahren. Von dem übrigen aber kaufte

01:41:17: ich, was meinen Franken selten hat,

01:41:19: Schals, seidene Zeuge, Salben und Öle,

01:41:23: mietete einen Platz auf einem Schiff und

01:41:26: trat so meine zweite Reise nach Franken

01:41:28: an. Es schien als ob das Glück, sobald

01:41:31: ich die Schlösser der Dardanellen im

01:41:33: Rücken hatte, wie wieder günstig

01:41:34: geworden wäre. Unsere Fahrt war kurz und

01:41:38: glücklich. Ich durchzogen und kleinen

01:41:41: Städte der Franken und fand überall

01:41:43: willige Käufer für meine Waren. Mein

01:41:46: Freund in Istanbul sandte mir immer

01:41:48: wieder frische Vorräte und ich wurde von

01:41:50: Tag zu Tag

01:41:52: wohlhabender. Als ich endlich so viel

01:41:54: erspartte, dass ich glaubte, ein

01:41:56: größeres Unternehmen wagen zu können,

01:41:59: zog ich mit meinen Wagen nach Italien.

01:42:02: Etwas muß ich aber noch gestehen, was

01:42:04: mir auch nicht wenig Geld einbrachte.

01:42:07: Ich nahm auch meine Arzneikunst z.

01:42:09: Hilfe. Wenn ich in eine Stadt kam, ließ

01:42:12: ich durch Zettel verkünden, dass ein

01:42:14: griechischer Arzt da sei, der schon

01:42:17: viele geheilt habe. Und wahrlich, mein

01:42:19: Balsam und meine Arzneien haben mir

01:42:22: manche Zerchine eingebracht.

01:42:24: So war ich endlich nach der Stadt

01:42:25: Florenz in Italien gekommen. Ich nahm

01:42:28: mir vor, längere Zeit in dieser Stadt zu

01:42:30: bleiben, teils weil sie mir sowohl

01:42:33: gefiel und teils auch, weil ich mich von

01:42:35: den Strapazen meines Umherziehens

01:42:37: erholen wollte. Ich miete mir ein

01:42:39: Gewölbe in dem Stadtviertel Santa Kroche

01:42:43: und nicht weit davon ein paar schöne

01:42:44: Zimmer, die auf einen Altar führten in

01:42:47: einem Wirus. Sogleich ließ ich auch

01:42:50: meine Zettel umherragen, die mich als

01:42:52: Arzt und Kaufmann

01:42:54: ankündigten. Ich hatte kaum mein Gewebe

01:42:56: eröffnet, so strömten auch die Käufer

01:42:58: herzu, und ob ich gleich ein wenig hohe

01:43:00: Preise hatte, so verkaufte ich doch mehr

01:43:02: als andere, weil ich gefällig und

01:43:05: freundlich gegen meine Kunden war. Ich

01:43:08: hatte schon vier Tage vergnügt in

01:43:09: Florenz verlebt, als sich eines Abends,

01:43:12: da ich schon mein Gewölbe schließen und

01:43:14: nur die Vorräte in meinen Salbenbüchsen

01:43:17: nach meiner Gewohnheit noch einmal

01:43:18: mustern wollte, in einer kleinen Büchse

01:43:21: einen Zettel fand, den ich mich nicht

01:43:23: erinnerte, hineinetan zu haben. Ich

01:43:26: öffnete den Zettel und fand darin eine

01:43:29: Einladung. Diese Nacht punkt zwelfr auf

01:43:32: der Brücke, die mein Ponteveio heißt,

01:43:35: mich

01:43:36: einzufinden. Ich san lange darüber nach,

01:43:40: wer es wohl sein könnte, der mich

01:43:41: dorthin einlut. Da ich aber keine Seele

01:43:43: in Forenz kannte, dachte ich, man werde

01:43:47: mich vielleicht heimlich zu irgendeinem

01:43:49: Kranken führen wollen, was schon öfter

01:43:51: geschehen war. Ich beschloß also

01:43:54: hinzugehen, doch hing ich zur Vorsicht

01:43:56: den Säbel um, den mir einst mein Vater

01:43:59: geschenkt

01:44:01: hatte. Als es stark gegen Mitternacht

01:44:03: ging, machte ich mich auf den Weg und

01:44:06: kam bald auf die

01:44:08: Ponteveio. Ich fand die Brücke verlassen

01:44:11: und öde und beschloss zu warten, bis der

01:44:14: erscheinen würde, der mich

01:44:16: rief. Es war eine kalte Nacht. Der Mond

01:44:20: schien hell und ich schaute hinab in die

01:44:22: Wellen des Arno, die weitem im Mondlicht

01:44:25: schimmerten. Auf den Kirchen der Stadt

01:44:28: schlug es jetzt 12 Uhr und ich richtete

01:44:30: mich auf. Und vor mir stand ein großer

01:44:35: Mann ganz in einen roten Mantel gehüllt,

01:44:38: dessen einen Zipfel er vor das Gesicht

01:44:41: hielt. Ich war von Anfang an etwas

01:44:44: erschrocken, weil er so plötzlich hinter

01:44:46: mir stand, faßte mich aber sogleich

01:44:49: wieder und

01:44:50: sprach: "Wenn ihr mich habt hierher

01:44:53: bestellt, so sagt an, was steht zu eurem

01:44:57: Befehl?" Der Rotmantel wandte sich um

01:45:00: und sagte

01:45:01: langsam:

01:45:04: "Folge!" Da wart mir es doch etwas

01:45:06: unheimlich zum Mut, mit diesem

01:45:08: Unbekannten allein zu gehen. Ich blieb

01:45:11: stehen und sprach.

01:45:13: Nicht also, lieber Herr, wollt ihr mir

01:45:15: vorerst sagen, wohin auch? Könnet ihr

01:45:18: mir euer Gesicht ein wenig zeigen, dass

01:45:21: ich sehe, ob ihr Gutes mit mir

01:45:23: vorhabt? Der Rote aber schien sich nicht

01:45:26: darum zu

01:45:27: kümmern. Wenn du nicht

01:45:30: willst,

01:45:31: Zaloikos. So, bleibe antwortete er und

01:45:35: ging weiter. Da entbrannte mein

01:45:38: Zorn. Meinet ihr? Rief ich aus. Ein Mann

01:45:42: wie ich lasse sich von jedem Narren

01:45:43: foppen und ich werde in dieser kalten

01:45:45: Nacht umsonst gewartet haben. In drei

01:45:49: Sprüngen hatte ich ihn erreicht, packte

01:45:51: ihn an seinem Mantel und schrie noch

01:45:53: lauter, indem ich die andere Hand an den

01:45:56: Säbel legte. Aber der Mantel blieb mir

01:45:59: in der Hand, und der Unbekannte war um

01:46:02: die nächste Ecke

01:46:04: verschwunden. Mein Zorn legte sich nach

01:46:07: und nach. Ich hatte doch den Mantel und

01:46:10: dieser sollte mir schon den Schlüssel zu

01:46:11: diesem wunderlichen Abenteuer geben. Ich

01:46:14: hing ihn um und ging meinen Weg wieder

01:46:16: nach Hause. Als ich kaum noch hundert

01:46:19: Schritte davon entfernt war, streifte

01:46:21: jemand dicht an mir vorüber und

01:46:23: flüsterte in fränkischer Sprache: "Nehmt

01:46:26: euch in Achtgarb. Heute Nacht ist nichts

01:46:29: zu

01:46:29: machen. Wie ich mich aber umsehen

01:46:32: konnte, war dieser jemand schon vorbei

01:46:35: und ich sah nur noch einen Schatten an

01:46:36: den Häusern hinschweben. Dass dieser

01:46:39: zuruf den Mantel und nicht mich anging,

01:46:41: sah ich ein, doch gab er mir kein Licht

01:46:44: über die

01:46:45: Sache. Am anderen Morgen überlegte ich,

01:46:47: was zu tun sei. Ich war von Anfang an

01:46:50: gesonnen, den Mantel ausrufen zu lassen,

01:46:53: als hätte ich ihn gefunden. Doch da

01:46:55: konnte der Unbekannte ihn durch einen

01:46:57: dritten holen lassen und ich hätte dann

01:46:59: keinen Aufschluss über die Sache gehabt.

01:47:02: Ich besah, indem ich so nachdachte, den

01:47:04: Mantel näher. Er war von schwerem

01:47:07: genuischem Samt,

01:47:09: purpurrot, mit astrachanischem Pelz

01:47:12: verbrämt und reich mit Gold gestickt.

01:47:16: Der prachtvolle Anblick des Mantels

01:47:18: brachte mich auf einen Gedanken, den ich

01:47:20: auszuführen beschloss. Ich trug ihn mein

01:47:23: Gewbe und legte ihn zum Verkauf aus,

01:47:26: setzte aber auf ihn einen so hohen

01:47:29: Preis, dass ich gewiss war, keinen

01:47:31: Käufer zu finden. Mein Zweck dabei war,

01:47:34: jeden, der nach dem Pelz fragen würde,

01:47:37: schärfe ins Auge zu fassen, denn die

01:47:39: Gestalt des Unbekannten, die sich mir

01:47:41: nach Verlust des Mantels, wenn auch nur

01:47:43: flüchtig doch bestimmt zeigte, wollte

01:47:46: ich aus tausenden

01:47:47: erkennen. Es fanden sich viele

01:47:49: Kauflustige zu dem Mantel, dessen

01:47:51: außerordentliche Schönheit alle Augen

01:47:53: auf sich zog. Aber keinerlich entfernt

01:47:56: dem Unbekannten. Keiner wollte den hohen

01:47:59: Preis von zweiundert zerschienen dafür

01:48:02: bezahlen. Auffallend war mir dabei, dass

01:48:05: wenn ich einen oder den anderen fragte,

01:48:07: ob denn sonst kein solcher Mantel in

01:48:09: Florenz sei, alle mit nein antworteten

01:48:12: und versicherten eine so kostbare und

01:48:15: geschmackvolle Arbeit nie gesehen zu

01:48:18: haben. Es wollte schon Abend werden. Da

01:48:21: kam endlich ein junger Mann, der schon

01:48:23: oft bei mir gewesen war und auch heute

01:48:26: viel auf den Mantel geboten hatte, warf

01:48:29: einen Beutel mit Zerschienen auf den

01:48:30: Tisch und rief: "Bei Gott, Zukos, ich

01:48:35: muss deinen Mantel haben und sollte ich

01:48:37: zum Bettler darüber werden." Zugleich

01:48:40: begann er seine Goldstücke

01:48:42: aufzuzählen. Ich kam in große Not. Ich

01:48:45: hatte den Mantel nur ausgehängt, um

01:48:46: vielleicht die Blicke meines Unbekannten

01:48:48: darauf zu ziehen, und jetzt kam ein

01:48:50: junger Tor, um den ungeheuren Preis zu

01:48:53: zahlen. Doch was blieb mir übrig? Ich

01:48:56: gab nach, denn es tat mir auf der

01:48:58: anderen Seite der Gedanke wohl, für mein

01:49:01: nächtliches Abenteuer so schön

01:49:03: entschädigt zu werden. Der Jüngling hing

01:49:06: sich den Mantel um und ging. Er kehrte

01:49:08: aber auf der Schwelle wieder um, indem

01:49:11: er ein Papier, das am Mantel befestigt

01:49:13: war, losmachte. mir zuwarf und sagte:

01:49:17: "Hier, Zaloos hängt etwas, das wohl

01:49:20: nicht zu dem Mantel gehört."

01:49:22: Gleichgültig nahm ich den Zettel, aber

01:49:24: siehe da, dort stand geschrieben:

01:49:26: "Bringe heute Nacht um die bewuß Stunde

01:49:29: den Mantel auf die

01:49:31: Ponteveu. 400 Zechinen warten

01:49:35: deine." Ich stand wie

01:49:37: niedergedonnert. So hatte ich also mein

01:49:39: Glück selbst verscherzt und meinen Zweck

01:49:42: gänzlich verfehlt. Doch ich besann mich

01:49:44: nicht lange, raffte die 200 Zerchinen

01:49:47: zusammen, sprang dem, der den Mantel

01:49:49: gekauft hatte, nach und sprach: "Nehmt

01:49:52: eure Zerchinen wieder, guter Freund, und

01:49:54: lasst mir den Mantel. Ich kann ihn

01:49:56: unmöglich

01:49:57: hergeben." Dieser hielt die Sache von

01:50:00: Anfang für Spaß. Als er bemerkte, dass

01:50:02: es ernst war, geriet er entzorn über

01:50:04: meine Forderung. Schalt mich einen

01:50:07: Narren. Und so kam es endlich zu

01:50:09: Schlägen. Doch ich war so glücklich, im

01:50:12: Handgemeng ihm den Mantel zu entreißen

01:50:14: und wollte schon mit davon eilen, als

01:50:17: der junge Mann die Polizei zur Hilfe

01:50:19: rief und mich mit sich vor Gericht zog.

01:50:22: Der Richter war sehr erstaunt über die

01:50:24: Anklage und sprach meinem Gegner den

01:50:26: Mantel zu. Ich aber bot dem

01:50:30: Jünglingzig hundert Zerchinen über seine

01:50:33: zweihundert, wenn er mir den Mantel

01:50:35: ließe. Was meine Bitten nicht

01:50:37: vermochten, bewirkte meinen Gold. Er

01:50:41: nahm meine guten Zchinen. Ich aber zog

01:50:44: mit dem Mantel triumphierend ab und

01:50:46: musste mir gefallen lassen, dass man

01:50:48: mich in ganz Florenz für einen

01:50:49: Wahnsinnigen hielt. Doch die Meinung der

01:50:52: Leute war mir gleichgültig. Ich wußte es

01:50:55: ja besser als sie, daß ich an dem Handel

01:50:57: noch

01:50:58: gewann. Mit Ungeduld erwartete ich die

01:51:01: Nacht. Um dieselbe Zeit wie gestern ging

01:51:04: ich den Mantel unter dem Arm auf die

01:51:07: Ponteveciu. Mit dem letzten

01:51:09: Glockenschlag kam die Gestalt aus der

01:51:12: Nacht heraus auf mich zu. Es war

01:51:15: unverkennbar, der Mann von gestern.

01:51:17: "Hast du den

01:51:19: Mantel?", wurde ich gefragt.

01:51:22: Ja, Herr", antwortte ich, "aber er

01:51:25: kostete mich bar hundert Zerchinen."

01:51:28: "Ich weiß es", entgegnete jene. "Schau

01:51:32: auf, hier sind 400." Er trat mit mir in

01:51:36: das breite Geländer der Brücke und

01:51:39: zählte die Goldstücke hin. 400 waren es.

01:51:43: Prächtig blitzten sie im Mondschein. Ihr

01:51:46: Glanz erfreute mein Herz.

01:51:49: Ach, es ahnte nicht, daß es seine letzte

01:51:53: Freude sein

01:51:54: werde. Ich steckte mein Geld in die

01:51:57: Tasche und wollte mir nun auch den

01:51:58: gütigen Unbekannten Recht betrachten,

01:52:01: aber er hatte eine Larwe Gesicht, aus

01:52:04: der mich dunkle Augen furchtbar

01:52:06: anblitzten. "Ich danke euch, Herr, für

01:52:10: eure Güte", sprach ich zu ihm. "Was

01:52:13: verlangt ihr jetzt von mir? Das sage ich

01:52:16: euch aber vorher." daß es nichts

01:52:18: Unrechtes sein darf. Unnötige

01:52:22: Sorge, antwortete er, indem er den

01:52:25: Mantel um die Schultern legte. Ich

01:52:28: bedarf eure Hilfe als

01:52:31: Arzt, doch nicht für einen

01:52:34: lebenden, sondern für einen

01:52:37: Toten. "Wie kann das sein?", rief ich

01:52:40: voll Verwunderung. Ich kam mit meiner

01:52:43: Schwester aus fernen Landen", erzählte

01:52:46: er und winkte mir zugleich ihm zu

01:52:49: folgen. Ich wohnte hier mit ihr bei

01:52:51: einem Freund meines

01:52:53: Hauses. Meine

01:52:55: Schwester starb gestern schnell an einer

01:52:59: Krankheit und die Verwandten wollen sie

01:53:02: morgen begraben.

01:53:05: Meiner alten Sitte, unsere Familie aber

01:53:09: sollen alle in der Gruft der Väter

01:53:11: ruhen. Viele, die in fremdem Lande

01:53:15: sterben, ruhen dennoch dort

01:53:19: einbalsamiert. Meinen Verwandten könne

01:53:22: ich nun ihren Körper. Meinem Vater aber

01:53:25: muss ich wenigstens den Kopf seiner

01:53:27: Tochter bringen, damit er sie noch

01:53:30: einmal sehe.

01:53:32: Diese Sitte, die Köpfe geliebte

01:53:35: Anverwandten

01:53:36: abzuschneiden, kam mir zwar etwas

01:53:38: schrecklich vor, doch wagte ich nichts

01:53:40: dagegen einzuwenden, aus Furcht den

01:53:43: Unbekannten zu

01:53:45: beleidigen. Ich sagte ihm daher, dass

01:53:48: ich mit dem Einbalsamieren der Toten

01:53:50: wohl umgehen könne und bat ihn, mich zu

01:53:52: der Verstorbenen zu führen. Doch konnte

01:53:55: ich mich nicht enthalten zu fragen,

01:53:58: warum dies denn alles so geheimnisvoll

01:54:01: und in der Nacht geschehen müsse. Er

01:54:03: antwortete mir, dass seine Verwandten,

01:54:05: die seine Absicht für grausam halten,

01:54:08: bei Tage ihn abhalten würden. Sei aber

01:54:11: nur erst einmal der Kopf abgenommen. So

01:54:13: könnten sie wenig mehr darüber sagen. Er

01:54:16: hätte mir zwar den Kopf bringen können,

01:54:19: aber ein natürliches Gefühl halte ihn

01:54:21: ab, ihn selbst

01:54:23: abzunehmen. Wir waren in Desbis in ein

01:54:25: großes, prachtvolles Haus gekommen. Mein

01:54:28: Begleiter zeigte es mir als das Ziel

01:54:30: unseres nächtlichen

01:54:32: Spaziergangs. Wir gingen an dem Haupttor

01:54:35: des Hauses vorbei, traten in eine kleine

01:54:37: Pforte, die der Unbekannte sorgfältig

01:54:40: hinter sich zumachte und stiegen nun im

01:54:43: Finstern eine enge Wendeltreppe hin. Sie

01:54:47: führte in einen spärlich erleuchteten

01:54:48: Gang, aus welchem wir in ein Zimmer

01:54:51: gelangten, dass eine Lampe, die an der

01:54:53: Decke befestigt war,

01:54:56: erleuchtete. In diesem Gemar stand ein

01:54:59: Bett, in welchem der Leichnah lag.

01:55:03: Der Unbekannte wandte sein Gesicht ab

01:55:05: und schien Tränen verbergen zu wollen.

01:55:08: Er deutete nach dem Bett, befahl mir

01:55:12: mein Geschäft gut und schnell zu

01:55:14: verrichten und ging wieder zur Türe

01:55:17: hinaus. Ich packte meine Messer, die ich

01:55:20: als Arzt immer bei mir führte aus und

01:55:22: näherte mich dem Bett.

01:55:24: Nur der Kopf war von der Leiche

01:55:26: sichtbar, aber dieser war so schön, daß

01:55:30: mich unwillkürlich das innigste

01:55:32: Mitleiden ergriff. In langen Flechten

01:55:35: hing das dunkle Haar herab. Das Gesicht

01:55:37: war bleich, die Augen

01:55:39: geschlossen. Ich machte zuerst einen

01:55:41: Einschnitt in die Haut nach der Weise

01:55:43: der Ärzte, wenn sie ein Glied

01:55:45: abschneiden. So, dann nahm ich mein

01:55:47: schärfstes Messer und schnitt mit einem

01:55:50: Zug die Kehle

01:55:51: durch. Aber welche erschrecken!

01:55:54: Die Tote schlug die Augen auf, schloß

01:55:57: sie aber gleich wieder und in einem

01:55:59: tiefen Seufzer schien sie jetzt erst ihr

01:56:02: Leben auszuhauchen. Zugleich schoss mir

01:56:05: ein strahl heißen Blut das aus der Wunde

01:56:07: entgegen. Ich überzeugte mich, dass ich

01:56:10: erst die Arme getötet hatte. Denn dass

01:56:13: sie tot sei, war kein Zweifel, da es von

01:56:16: dieser Wunde keine Rettung gab. Ich

01:56:19: stand einige Minuten in banger

01:56:21: Beklommenheit über das, was geschehen

01:56:23: war. Hatte der Rotmantel mich betrogen

01:56:26: oder war die Schwester vielleicht nur

01:56:28: scheintot gewesen?

01:56:30: Das letztere schien mir

01:56:32: wahrscheinlicher, aber ich durfte dem

01:56:34: Bruder der Verstorbenen nicht sagen,

01:56:36: dass vielleicht ein weniger rascher

01:56:38: Schritt sie erweckt hätte, ohne sie zu

01:56:40: töten. Darum wollte ich den Kopf vollens

01:56:44: ablösen. Aber noch einmal stöhnte die

01:56:46: Sterbende, streckt sich in schmerzhafter

01:56:49: Bewegung aus und

01:56:51: starb. Da übermannte mich der Schrecken

01:56:54: und ich stürzte schaudernd aus dem

01:56:56: Gemach.

01:56:57: Aber draußen im Gang war es finster,

01:57:00: denn die Lampe war verlöscht. Keine Spur

01:57:02: von meinem Begleiter war zu entdecken

01:57:05: und ich musste aufs ungefähr mich im

01:57:07: Finstern an der Wand fortbewegen, um an

01:57:10: die Wendeltreppe zu gelangen. Ich fand

01:57:13: sie endlich und kam halb fallend, halb

01:57:16: gleitend hinab. Auch unten war kein

01:57:18: Mensch.

01:57:20: Die Tür fand ich nur angelehnt und ich

01:57:23: atmete freier, als ich auf der Straße

01:57:25: war, denn in dem Hause war mir ganz

01:57:28: unheimlich geworden. Von Schrecken

01:57:30: gespor rannte ich in meine Wohnung und

01:57:33: begrub mich in die Polster meines

01:57:35: Lagers, um das Schreckliche zu

01:57:37: vergessen, dass ich getan hatte.

01:57:40: Aber der Schlaf floh mich und erstm

01:57:43: ermahnte mich wieder, mich zu

01:57:45: fassen. Es war mir wahrscheinlich, dass

01:57:48: der Mann, der mich zu dieser verruchten

01:57:50: Tat, wie sie mir jetzt erschienen,

01:57:51: geführt hatte, mich nicht angeben würde.

01:57:55: Ich entschloss mich, gleich in mein

01:57:57: Gewölbe an mein Geschäft zu gehen und

01:57:59: womöglich eine sorglose Miene

01:58:02: anzunehmen. Aber ach, ein neuer Umstand,

01:58:06: den ich jetzt erst bemerkte, vermehrte

01:58:08: noch meinen Kummer. Meine Mütze und mein

01:58:12: Gürtel, wie auch meine Messer fehlten

01:58:14: mir, und ich war ungewiss, ob ich sie in

01:58:17: dem Zimmer der Getöteten gelassen oder

01:58:19: erst auf meiner Flucht verloren hatte.

01:58:22: Leider schien das erste wahrscheinlicher

01:58:24: und man konnte mich also als Mörder

01:58:28: entdecken. Ich öffnete zur gewöhnlichen

01:58:30: Zeit mein Gewölbe. Mein Nachbar trat zu

01:58:32: mir her, wie er alle morgen zu tun

01:58:35: pflegte, denn er war ein gesprächiger

01:58:37: Mann. "Ei, was sagt ihr zu der

01:58:40: schrecklichen Geschichte?", rub er an,

01:58:42: die heute Nacht vorgefallen ist. Ich

01:58:45: tat, als ob ich von nichts wüßte. Wie

01:58:47: solltet ihr nicht wissen, von was die

01:58:49: ganze Stadt erfüllt ist? Nicht wissen,

01:58:52: daß die schönste Blume von Florenz,

01:58:55: Bianca, die Tochter des Gouverneurs, in

01:58:57: dieser Nacht ermordet wurde. Ach, ich

01:59:01: sah sie gestern noch heite durch die

01:59:02: Straßen fahren mit ihrem Bräutigam, denn

01:59:05: heute hätten sie Hochzeit

01:59:07: gehabt. Jedes Wort des Nachbars war mir

01:59:11: ein Stich ins Herz.

01:59:13: Und wie oft kehrte meine Martha wieder?

01:59:16: Denn jeder meiner Kunden erzählte mir

01:59:18: die Geschichte, immer einer

01:59:20: schrecklicher als der andere. Und doch

01:59:23: konnte keiner so schreckliches sagen,

01:59:26: als ich selbst gesehen

01:59:28: hatte. Um Mittag ungefähr trat ein Mann

01:59:31: vom Gesicht in mein Gewölbe und bat mich

01:59:33: die Leute zu

01:59:34: entfernen. "Senore

01:59:37: Zaloikos", sprach er, indem er die

01:59:39: Sachen, die ich vermisst, hervorzog.

01:59:41: gehören diese Sachen euch zu. Ich besann

01:59:44: mich, ob ich sie nicht gänzlich

01:59:46: ableugnen sollte, aber als ich durch die

01:59:48: halbgeöffnete Türe meinen Wirt und Meere

01:59:51: Bekannte, die wohl gegen mich zeugen

01:59:53: konnten, erblickte, beschloss ich, die

01:59:55: Sache nicht noch durch eine Lüge zu

01:59:57: verschlimmern und bekannte mich zu den

01:59:59: vorgezeigten Dingen. Der Gerichtsmann

02:00:02: bat mich, ihm zu folgen und führte mich

02:00:05: in ein großes Gebäude, dass ich bald für

02:00:07: das Gefängnis erkannte.

02:00:10: Dort wies mir bis auf weiteres ein

02:00:12: Gemach

02:00:13: an. Meine Lage war schrecklich, als ich

02:00:16: so in der Einsamkeit darüber

02:00:17: nachdachte. Der Gedanke gemordet zu

02:00:19: haben, wenn auch ohne Willen, kehrte

02:00:22: immer wieder und wieder. Auch konnte ich

02:00:25: mir nicht verhehlen, daß der Glanz des

02:00:27: Goldes meine Sinne befangen gehalten

02:00:29: hatte, sonst hätte ich nicht so blinds

02:00:32: in die Falle gehen können. Zwei Stunden

02:00:35: nach meiner Verhaftung wurde ich aus

02:00:37: meinem Gemach geführt. Mehrere Treppen

02:00:40: ging es hinab. Dann kam man in einen

02:00:42: großen Saal. Um einen langen schwarz

02:00:45: behängten Tisch saßen dort zwölf Männer,

02:00:48: meistens Kreise. An den Seiten des

02:00:51: Saales zogen sich Bänke herab.

02:00:54: angefüllt mit den vornehmsten von

02:00:56: Florenz. Auf den Galerien, die in der

02:00:59: Höhe angebracht waren, standen dicht

02:01:01: gedrängt die Zuschauer. Als ich bis vor

02:01:04: den schwarzen Tisch getreten war, erhob

02:01:07: sich ein Mann mit finsterer, trauriger

02:01:09: Miene. Es war der

02:01:11: Gouverneur. Er sprach zu den

02:01:14: Versammelten, dass er als Vater in

02:01:16: dieser Sache nicht richten könne und

02:01:18: dass er seine Stelle für diesmal an den

02:01:21: Ältesten der Senatorin

02:01:23: abtrete. Der älteste der Senatoren war

02:01:25: ein Kreis von wenigstens 90 Jahren. Er

02:01:29: stand gebückt und seine Schläfe waren

02:01:31: mit dünnen weißem Haar umhängt. Aber

02:01:34: feurig brannten noch seine Augen und

02:01:36: seine Stimme war stark und sicher. Er

02:01:39: hob an mich zu fragen, ob ich den Mord

02:01:41: gestehe. Ich bat ihn um Gehör und

02:01:45: erzählte unerschrocken und mit

02:01:47: vernehmlicher Stimme, was ich getan

02:01:49: hatte und was ich

02:01:50: wusste. Ich bemerkte, dass der

02:01:53: Gouverneur, während meine Erzählung bald

02:01:55: blass bald rot wurde. Und als ich

02:01:58: geschlossen, fuhr er wütend auf. "Wie

02:02:02: elender!", rief er mir zu. "So willst du

02:02:05: ein Verbrechen, das du aus Habgier

02:02:07: begangen noch einem anderen aufbürden?"

02:02:11: Der Senator verwies ihm seine

02:02:13: Unterbrechung, da er sich freiwillig

02:02:15: seines Rechtes begeben habe. Auch sei es

02:02:17: gar nicht zu erwiesen, dass sich aus

02:02:19: habg gefrewelt, denn nach seiner eigenen

02:02:22: Aussage sei er der getöteten nichts

02:02:24: gestohlen worden. Ja, er ging noch

02:02:27: weiter. Er erklärte dem Gouverneur, dass

02:02:30: er über das frühere Leben seiner Tochter

02:02:32: Rechenschaft geben müsse, denn nur so

02:02:35: könne stießen, ob ich die Wahrheit

02:02:37: gesagt habe oder nicht.

02:02:39: Zugleich hob er für heute das Gericht

02:02:41: auf, um sich, wie er sagte, aus den

02:02:44: Papieren der Verstorbenen, die ihm der

02:02:46: Gouverneur übergeben werde,

02:02:48: ratzuholen. Ich wurde wieder in mein

02:02:50: Gefängnis zurückgeführt, wo ich einen

02:02:52: traurigen Tag verlebte, immer mit dem

02:02:55: heißen Wunsch beschäftigt, dass man doch

02:02:57: irgendeine Verbindung zwischen der Toten

02:03:00: und dem Rotmantel entdecken möchte. Voll

02:03:04: Hoffnung trat ich den anderen Tag in den

02:03:06: Gerichtssaal.

02:03:07: Es lagen mehrere Briefe auf dem Tisch.

02:03:10: Der alte Senator fragte mich, ob sie

02:03:12: meine Handschrift seien. Ich sah sie an

02:03:15: und fand, daß sie von derselben Hand

02:03:17: sein müssten wie jene beiden Zettel, die

02:03:19: ich erhalten habe. Ich äußerte dies den

02:03:23: Senatoren, aber man schien nicht darauf

02:03:25: zu achten und antwortete, dass ich

02:03:28: beides geschrieben haben könne und

02:03:30: müsse, denn der Namenszug unter den

02:03:32: Briefen seie unverkennbar ein Z. der

02:03:36: Anfangsbuchstabe meines Namens. Die

02:03:39: Briefe aber enthielten Drohungen an die

02:03:41: Verstorbene und Warnungen vor der

02:03:43: Hochzeit, die sie zu vollziehenden

02:03:45: Begriffe war.

02:03:47: Der Gouverneur schien sonderbare

02:03:49: Aufschlüsse in Hinsicht auf meine Person

02:03:51: gegeben zu haben, denn man behandelte

02:03:53: mich an diesem Tage mißstrauischer und

02:03:55: strenger. Ich berief mich zu meiner

02:03:57: Rechtfertigung auf meine Papiere, die

02:04:00: sich in meinem Zimmer finden müssen.

02:04:02: Aber man sagte mir, man habe nachgesucht

02:04:04: und nichts gefunden. So schwand mir am

02:04:07: Schlussse dieses Gerichts alle Hoffnung.

02:04:09: Und als ich am dritten Tag wieder in den

02:04:11: Saal geführt wurde, las man mir das

02:04:14: Urteil vor, daß ich eines vorsätzlichen

02:04:17: Mordes über Wesen zum Tode verurteilt

02:04:21: sei. Dahin also war es mit mir gekommen.

02:04:25: Verlassen von allem, was mir auf Erden

02:04:27: noch teuer war, fern von meiner Heimat,

02:04:30: sollte ich unschuldig in der Blüte

02:04:32: meiner Jahre vom Beile

02:04:34: sterben. Ich saß am Abend dieses

02:04:36: schrecklichen Tages, der über mein

02:04:38: Schicksal entschieden hatte, in meinem

02:04:40: einsamen Kerker. Meine Hoffnungen waren

02:04:43: dahin, meine Gedanken ernsthaft auf den

02:04:45: Tod

02:04:46: gerichtet. Da tat sich die Türe meines

02:04:48: Gefängnisses auf und ein Mann tratin,

02:04:52: der mich lange schweigend

02:04:54: betrachtete. "So finde ich dich wieder,

02:04:56: Zalukos", sagte er. Ich hatte ihn bei

02:05:00: dem matten Schein meiner Lampe nicht

02:05:01: erkannt, aber der Klang seiner Stimme

02:05:04: erweckte alte Erinnerungen in mir. Es

02:05:07: war Valetti, einer jener wenigen

02:05:09: Freunde, die ich in der Stadt Paris

02:05:11: während meiner Studien kannte. Er sagte,

02:05:15: daß er zufällig nach Florenz gekommen

02:05:17: sei, wo sein Vater als angesehener Mann

02:05:19: wohne. Er habe von meiner Geschichte

02:05:21: gehört und sei gekommen, um mich noch

02:05:24: einmal zu sehen und von mir selbst zu

02:05:26: erfahren, wie ich mich so schwer hätte

02:05:28: verschulden können. Ich erzählte ihm die

02:05:31: ganze Geschichte. Erschien darüber sehr

02:05:34: verwundert und beschwor mich ihm, meinem

02:05:37: einzigen Freunde, alles zu sagen und

02:05:40: nicht mit einer Lüge von innen zu gehen.

02:05:43: Ich schwor ihm mit dem teuersten Eid,

02:05:46: das ich wahrgesprochen und dass keine

02:05:49: andere Schuld mich drücke, als dass ich

02:05:51: von dem Glanze des Goldes geblendet das

02:05:54: Unwahrscheinliche der Erzählung des

02:05:56: Unbekannten nicht erkannt habe. "So hast

02:05:58: du die Bianca nicht gekannt?", fragte

02:06:01: jener. Ich bete ihm, sie nie gesehen zu

02:06:04: haben. Valetti erzählte mir nun, daß ein

02:06:07: tiefes Geheimnis auf der Tat liege, dass

02:06:09: der Gouverneur meine Verurteilung sehr

02:06:12: hastig betrieben habe und es sei nur ein

02:06:15: Gerücht unter die Leute gekommen, dass

02:06:17: ich Bianca schon längst gekannt und aus

02:06:20: Rache über ihre Heirat mit einem andern

02:06:23: sie ermordet habe. Ich bemerkte ihm,

02:06:26: dass dies alles ganz auf den Rotmantel

02:06:28: passe, dass ich aber seine Teilnahme an

02:06:31: der Tat mit nichts beweisen könne.

02:06:33: Walletti umarmte mich weinend und

02:06:36: versprach mir alles zu tun, um

02:06:38: wenigstens mein Leben zu retten. Ich

02:06:41: hatte wenig Hoffnung, doch wusste ich,

02:06:43: dass Valetti ein weiser und der Gesetze

02:06:45: kundiger Mann seie und dass er alles tun

02:06:47: werde, mich zu

02:06:49: retten. Zwei lange Tage war ich in

02:06:51: Ungewissheit. Endlich erschien auch

02:06:53: Valetti. Ich bringe Trost, wenn auch

02:06:57: einen

02:06:58: schmerzlichen. Du wirst leben und frei

02:07:00: sein, aber mit Verlust einer Hand.

02:07:04: Gerührt dankte ich meinem Freund mein

02:07:06: Leben. Er sagte mir, dass der Gouverneur

02:07:09: unerbittlich gewesen sei, die Sache noch

02:07:12: einmal untersuchen zu lassen. Dass er

02:07:14: aber endlich, um nicht ungerecht zu

02:07:15: erscheinen, beigt habe, wenn man in den

02:07:18: Büchern der Florentinischen Geschichte

02:07:20: einen ähnlichen Fall finde, so solle

02:07:23: meine Strafe sich nach der Strafe, die

02:07:25: dort ausgesprochen sei, richten. Er und

02:07:28: sein Vater haben nun Tag und Nacht in

02:07:30: den alten Büchern gelesen und endlich

02:07:33: einen ganz deminigen ähnlichen Fall

02:07:35: gefunden. Dort lautet die

02:07:38: Strafe: Es soll ihm die linke Hand

02:07:40: abgehauen, seine Güte eingezogen und er

02:07:44: selbst auf ewig verbannt werden. So

02:07:47: laute jetzt auch meine Strafe und ich

02:07:50: solle mich jetzt bereiten zu der

02:07:51: schmerzhaften Stunde, die meiner warte.

02:07:53: Ich will euch nicht diese schreckliche

02:07:55: Stunde vors Auge führen, wo ich auf

02:07:57: offenemte meine Hand auf den Block

02:07:59: legte, wo mein eigenes Blut in weiten

02:08:02: Bogen mich

02:08:04: überströmte. Valetti nahm mich in sein

02:08:06: Haus auf, bis ich genesen war. Dann

02:08:09: versah mich edelmütig mit Reisegeld,

02:08:11: denn alles, was ich mir so mühsam

02:08:14: erworben, war eine Beute des Gerichts

02:08:16: geworden. Ich reiste von Florenz nach

02:08:19: Sizilien und von da mit dem ersten

02:08:21: Schiff, das ich fand, nach

02:08:23: Konstantinopel. Meine Hoffnung war auf

02:08:25: die Summe gerichtet, die ich meinem

02:08:27: Freund übergeben hatte. Auch bat ich

02:08:30: ihn, bei ihm wohnen zu dürfen. Aber wie

02:08:33: erstauntte ich, als dieser mich fragte,

02:08:35: warum ich denn nicht mein Haus beziehe?

02:08:38: Er sagte mir, daß ein fremder Mann unter

02:08:41: meinem Namen ein Haus in dem Quartier

02:08:44: der Griechen gekauft habe. Dselbe habe

02:08:47: auch den Nachbarn gesagt, dass ich bald

02:08:49: selbst kommen werde. Ich ging sogleich

02:08:52: mit meinem Freunde dahin und wurde von

02:08:54: allen meinen alten Bekannten freudig

02:08:57: empfangen. Ein alzer Kaufmann gab mir

02:08:59: einen Brief, den der Mann, der für mich

02:09:02: gekauft hatte, hier gelassen habe. Ich

02:09:04: lasß ihn Zalukos.

02:09:08: Zwei Hände stehen bereit, rastlos zu

02:09:11: schaffen, daß du nicht fühlest der

02:09:14: einen. Das Haus, das du siehst und

02:09:17: alles, was darin ist, ist dein. Und alle

02:09:21: Jahre wird man dir so viel reichen, dass

02:09:24: du zu den Reichen deines Volkes gehören

02:09:26: wirst. Mögest du dem vergeben, der

02:09:29: unglücklicher ist als du. Ich konnte

02:09:33: ahnen, wer geschrieben, und der Kaufmann

02:09:36: sagte mir auf meine Frage, es sei ein

02:09:39: Mann gewesen, den er für einen Franken

02:09:42: gehalten. Er habe einen roten Mantel

02:09:45: angehabt. Ich wusste genug, um mir zu

02:09:48: gestehen, dass der Unbekannte doch nicht

02:09:50: ganz von aller edler Gesinnung entblößt

02:09:53: sein müsse. In meinem neuen Haus fand

02:09:57: ich alles aufs Beste eingerichtet, auch

02:09:59: ein Gewölbe mit Waren. Schöner als ich

02:10:03: sie je

02:10:04: gehabt. 10 Jahre sind seitdem

02:10:06: verstrichen. Mehr aus alter Gewohnheit,

02:10:09: als weil ich es nötig hätte, setzte ich

02:10:12: meine Handelsreisen fort. Doch habe ich

02:10:15: jenes Land, wo ich so unglücklich wurde,

02:10:18: nie mehr

02:10:19: gesehen. Jedes Jahr erhielt ich seitdem

02:10:22: 1000 Goldstücke. Aber wenn es mir auch

02:10:25: Freude macht, jenen unglücklichen Edel

02:10:28: zu wissen, so kann er mir doch den

02:10:30: Kummer meiner Seele nicht

02:10:33: abkaufen. Denn ewig lebt in mir das

02:10:36: grauenhafte Bild der ermordeten Bianca.

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